Rentner-WG - ein Best-Ager-Roman aus Frankfurt
näher kam, stand er auf.
„Hallo Leni“, sagte er, griff nach ihrer Hand und zog sie leicht zu sich heran. „Du siehst blendend aus.“
Er betrachtete ihr Haar, das sie jetzt etwas länger trug. Sein Blick wanderte über die Bluse mit dem hoch gestellten Kragen und den breiten Gürtel, der ihre Taille betonte, bis zu dem Bleistiftrock, der so gerade ihre Knie bedeckte.
Mit einem Kompliment hatte sie am wenigsten gerechnet. Es gefiel ihr, aber es machte sie auch misstrauisch. Was wollte er von ihr? Sie nahm Platz.
„Sie haben Nusstorte und auch was mit Obst, ich habe mich schon erkundigt.“
Leni war verblüfft über seine Aufmerksamkeit.
„Ich nehme nur einen Kaffee.“
Sie war sicher, dass sie keinen Bissen hinunter kriegen konnte. Während er der Bedienung winkte, betrachtete sie ihn genauer. Er hatte etwas abgenommen, das stand ihm gut. Statt eines Anzugs trug er eine helle Blazerkombination mit einem gestreiften Hemd. Sein Lächeln hatte dieselbe Wirkung wie früher. Sie spürte ihr Herz schneller schlagen und ärgerte sich darüber.
Die Bedienung stellte eine Tasse Kaffee vor sie hin. Leni sah Thomas erwartungsvoll an.
„Schön, dass du ein Treffen einrichten konntest“, fing er an. „Du hast zur Zeit ja sicher viel um die Ohren. Fototermine und so.“
Sie fuhr auf, aber er hob abwehrend die Hände.
„Das war ein Scherz. Allerdings war ich schon erstaunt, dich in der Zeitung zu sehen.“
„Das war nicht geplant, zumindest nicht so.“
„Aber darüber wollte ich gar nicht mit dir reden“, fuhr er fort.
„Ach nein?“
Thomas schüttelte den Kopf.
„Es geht um uns. Das ist das einzige, das mich interessiert. Wie es dir geht, und wie du jetzt, mit einem gewissen zeitlichen Abstand über uns beide denkst. Ich kann nicht glauben, dass du unsere Ehe einfach wegwerfen willst.“
„
Bitte
?
Du
bist es doch, der kein Interesse mehr hat.“
Sie konnte nicht zulassen, dass er alles verdrehte.
„Ich hab dir doch schon gesagt, dass das völlig ohne Bedeutung für uns beide ist. Das sind nebensächliche Dinge. Du hast doch nie etwas bemerkt bis zu diesem blöden Fleck. Im Übrigen ist diese Sache auch bereits Vergangenheit.“
Das klang ja, als habe er seine Freundin abserviert. Leni hätte rasend gerne nachgefragt. Aber letztlich war es egal.
„Dass ich von deinen Weibergeschichten nichts gewusst habe, macht es nicht besser.“
Er griff nach ihrer Hand, die sie auf den Tisch gelegt hatte, und sah ihr intensiv in die Augen.
„Jetzt, wo ich weiß, dass es dich verletzt, werde ich auf solche Geschichtchen verzichten.“
„Einfach so?“
Das ging irgendwie zu schnell. Sie verwünschte ihre Aufregung, die sie am Denken hinderte. Eigentlich hatte sie sich doch schon von ihrer Ehe verabschiedet. Wie konnte es sein, dass so ein bisschen Süßholz sie aus dem Konzept brachte?
„Hast du vergessen, dass ich dich liebe? Was wir alles zusammen erlebt haben? Unsere Tochter?“
Das war nun wirklich zu dick aufgetragen. Als sie ihre Hand wegziehen wollte, hielt er sie fest.
„Komm heim. Ich warte auf dich. Was willst du denn bei diesen fremden Leuten?“ fragte er sanft.
„Das sind sehr nette Menschen, die mir geholfen haben, als es mir nicht gut ging.“
„So habe ich das auch nicht gemeint“, wiegelte er ab.
„Aber du hast es nicht nötig, irgendwo in einer Dachkammer zu wohnen, wenn doch unser schönes Haus auf dich wartet. Und dein Garten.“
In ihrem Kopf rotierte es. Kamen sie der Sache langsam näher? Vermisste er den tadellos funktionierenden Haushalt?
„Gib mir Zeit zum Überlegen“, sagte sie leise.
Thomas atmete auf. Das hörte sich schon besser an als dieser bissige Ton am Anfang. Es war fast geschafft.
„Lass uns diesen elenden Journalisten das Maul stopfen.“
Aha! Nun war die Katze aus dem Sack.
„Steckst du tatsächlich in diesem Bauprojekt mit drin?“
„Was soll die Frage? Darum geht es doch gar nicht.“
Sein Ton wurde um eine Nuance schärfer.
„Vielleicht geht es
nur
darum“, beharrte Leni.
„Ja, verdammt noch mal. Ich steck da mit drin.“
Er war laut geworden. Die Gäste vom Nachbartisch sahen neugierig herüber. Mühsam beherrschte er sich wieder.
„Du hast keine Ahnung, wie groß dieses Projekt ist“, flüsterte er. „Das ist eine einmalige Chance für mich. Wenn ich das jetzt mit dem Köhler durchziehe, habe ich’s endgültig geschafft. Du hast da in was herumgestochert, von dem du keine Ahnung hast. Und du wirst gefälligst die Finger
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