Rentner-WG - ein Best-Ager-Roman aus Frankfurt
arbeitet.“
Er rastete völlig aus. Menschen in diesem Zustand waren unberechenbar. Charly spannte seine Muskeln an und beobachtete ihn genau.
„Ich hätte auf Vadderche hören sollen. Der hat mich gewarnt. Auch vor diesem Brandner.“
Köhler brabbelte vor sich hin und schien Charly ganz vergessen zu haben. Er stand am Fenster und starrte auf die City. Plötzlich hieb er mit der Faust gegen die Scheibe. Die dumpfen Schläge hallten durch den Raum.
„Ich wird’s euch zeigen! Allen werd’ ich es zeigen, auch meinen Alten.“
Sein wildes Lachen stellte bei Charly die Haare hoch.
„Mich kann keiner aufhalten. Was ich will, das kriege ich.“
Die Tür wurde aufgerissen und Sandi stürzte herein.
„Was ist passiert?“
Köhler erstarrte mitten in der Bewegung und sah sie verwirrt an.
„Was willst
du
denn?“
„Ich dachte nur…“ stammelte sie.
„Raus! Alle raus hier! Lasst mich in Ruhe! Ich mach das alles allein, ich brauch niemand.“
Er war hochrot im Gesicht und Speichelblasen klebten in seinen Mundwinkeln. Charly stand auf und zog Sandi hinter sich her aus dem Zimmer. Sie war totenblass.
„Jetzt ist er völlig durchgeknallt!“
Zitternd setzte sie sich an ihren Schreibtisch.
„Hast du einen Cognac?“
Sie nickte.
„Meinst du, davon wird er ruhiger?“
„Der nicht. Aber wir.“
Sie holte die Flasche und zwei Gläser.
„Ach Charly, wie gut, dass du da bist. Eben hatte ich richtig Angst vor ihm.“
„Das kann ich gut verstehen. Den hat der Größenwahn gepackt. Im wahrsten Sinn des Wortes. Pass ja gut auf dich auf. Und wenn was ist, du weißt ja, wie du mich erreichen kannst.“
Er kippte den Cognac ab und schüttelte den Kopf.
„Mich einen Stümper zu nennen! Selbst bei mir gibt es Grenzen.“
Arkan Simoglu kratzte sich nachdenklich am Kopf. Er hatte den Brief von seinem Vermieter jetzt schon ein paar Mal gelesen, aber glauben konnte er den Inhalt immer noch nicht.
„Erika, komm mal“, rief er nach seiner Frau.
Auf kurzen Beinen kam sie heran gewatschelt.
„Du hast doch pünktlich die Miete überwiesen?“
Er sah sie über den Rand seiner Brille an.
„Aber ja, wie immer. Das weißt du doch.“
Unter der strengen Aufsicht ihres Mannes führte Erika Simoglu die Buchhaltung des Lebensmittelladens. Auch wenn es nach außen nicht immer so aussah, hatte ihr Mann ganz klar die Hosen an in ihrer Ehe. Arkan hatte ein paar Prinzipien, mit denen er nie brach. Eines der wichtigsten war es, keine Schulden zu machen, und seit fünfzehn Jahren hatten sie sich daran gehalten. Jede Rechnung wurde pünktlich bezahlt. Er hielt ihr den Brief hin.
„Und wie erklärst du dir das?“
Sie setzte sich auf die alte Couch und hielt das Blatt näher an die Lampe. Leise murmelte sie die Wörter vor sich hin beim Lesen. Dann ließ sie fassungslos den Brief sinken.
„Die haben uns gekündigt.“
Arkan Simoglu nahm das Telefon zur Hand.
„Das ist sicher nur ein Missverständnis. Ich rufe mal an, das wird sich ja bestimmt klären lassen.“
Ein paar Minuten später war es tatsächlich klar.
„Dieser Mistkerl schmeißt uns raus. Nach so vielen Jahren, einfach so. Die sagen, er braucht keinen Grund.“
Er war ganz blass geworden und setzte sich nun auch hin. Erika warf einen Blick durch den Vorhang. Glücklicherweise war momentan kein Kunde im Laden.
„Ich mache uns Tee.“ Sie strich ihm liebevoll über den Kopf.
„Wird schon werden.“
Aber als sie mit dem Rücken zu ihrem Mann mit der Kanne hantierte, schossen ihr die Tränen in die Augen. Wie sollte es nur weiter gehen? In den letzten Jahren war das Geschäft immer schlechter geworden. Die Leute gingen lieber in den Supermarkt, auch wenn der Weg dorthin viel weiter war. Jeder hatte heutzutage ein Auto. Wen interessierte noch freundliche Bedienung oder Beratung? Preislich konnten sie sowieso nicht mithalten.
Mit der Tasse in der Hand betrat sie wieder den Laden und setzte sich an die Kasse. Mechanisch legte sie die Angebotszettel für die Kunden zu einem ordentlichen Stapel aufeinander. Ihr Blick fiel auf die Flugblätter, die diese Frau aus dem komischen Haus vor einiger Zeit hergebracht hatte. Erika hatte den Inhalt nur überflogen. Es ging um dieses Bauprojekt, und sie hatte sich darüber lautstark empört. Aber nie hätte sie sich träumen lassen, dass sie selbst davon betroffen sein könnte.
„Wir lassen uns das nicht bieten“, las sie. Nachdenklich kratzte sie sich am Kinn, dann ging sie wieder nach hinten.
„Schau dir
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