Rentner-WG - ein Best-Ager-Roman aus Frankfurt
Dumme Vorurteile und eine blühende Fantasie, das war der Nährboden für den ganzen Unsinn, der über sie in Umlauf war.
„Wir wollen das vergessen“, erklärte sie großmütig.
„Es gibt jetzt Wichtigeres als Farbe an einem Haus. Und dass Herr Winkler ein anständiger Mensch ist, das dürfte Ihnen inzwischen klar geworden sein.“
Erika wollte Tee nachschenken, aber Leni winkte ab und stand auf.
„Wir können im Moment nicht viel tun. Ich informiere Sie, sobald ich etwas Neues erfahre. Sie sollten Ihren Kunden erzählen, dass Sie bald schließen müssen. Vielleicht unterschreibt dann der eine oder andere auf der Liste. Wir müssen möglichst viele sein, die gegen das Bauprojekt protestieren.“
Auch Arkan hatte sich erhoben. Der kräftige Mann streckte ihr fast schüchtern die Hand hin.
„Werden Sie uns verzeihen?“
Leni nickte, aber ihr Hals war wie zugeschnürt. Sie konnte erst wieder frei atmen, als sie auf der Straße stand.
Der Zeitungsreporter war sehr interessiert. Leni ging mit ihm um den ganzen Block, damit er sich ein genaues Bild von der Größe des Bauvorhabens machen konnte und außerdem sah, was dafür alles abgerissen werden sollte. Zufrieden registrierte Leni, dass er Fotos von dem Laden und auch von Arthurs Haus machte. Je größer der Artikel in der Zeitung war, desto mehr Aufsehen würde er erregen. Und darauf kam es schließlich an. Nach dem Rundgang bat sie den Mann noch auf einen Kaffee herein.
„Frau Brandner, sind Sie eigentlich verwandt mit Herrn Brandner von der Sparkasse?“ wollte er wissen.
Leni presste die Lippen zusammen. Es half ja nichts.
„Das ist mein Mann. Aber wir leben getrennt“, gab sie Auskunft. Der Reporter zog die Augenbrauen hoch und kritzelte eifrig auf seinem Block. Als nächstes musste er unbedingt einen Termin bei diesem Banker bekommen. Das wurde ja eine richtig heiße Kiste.
„Du hast es auf die erste Seite vom Lokalteil geschafft.“
Arthur schob die Zeitung über den Tisch. Leni griff danach und starrte auf ihr Foto. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass der Reporter sie fotografiert hatte.
„Ehekrieg um ein Stadtviertel“
Was für eine Schlagzeile! Und total falsch, denn darum ging es ja überhaupt nicht.
„Das ist eine Gemeinheit.“
„Aber das ist doch genau das, was wir wollten. Bei dieser Überschrift liest garantiert jeder weiter“, meinte Barbara, die es von der praktischen Seite sah. Leni war empört.
„Na, du hast vielleicht Nerven. Dich möchte ich mal sehen, wenn so was über dich in der Zeitung steht.“
„Es muss ja auch mal einen Vorteil haben, nicht verheiratet zu sein“, konterte Barbara.
„Jetzt zickt euch nicht so an“, versuchte Arthur, seine Damen zu beruhigen. „Ich muss Barbara Recht geben. Diese Schlagzeile sorgt bestimmt für Aufmerksamkeit.“
„Aber natürlich ist es nicht schön für dich“, fügte er hinzu, als er Lenis giftigen Blick sah.
„Du bist der geborene Diplomat.“
Leni konnte ihren Zynismus nicht unterdrücken. Aber etwas anderes machte ihr viel mehr Gedanken. Was hatte Thomas tatsächlich mit diesem Projekt zu tun? War seine Sparkasse finanziell beteiligt? Im Artikel war das offen gelassen. Fieberhaft überlegte sie, ob er früher schon einmal diesen Köhler erwähnt hatte. Aber über seine Bankgeschäfte hatte er nie viel geredet.
„Job ist Job, und der hat mit meinem Privatleben nichts zu tun“, das war einer seiner Standardsätze. Nun sah das allerdings völlig anders aus.
„Er wird dir nichts tun. Das kann er gar nicht in der Öffentlichkeit.“
Barbara zupfte an Leni herum und stellte ihr den Blusenkragen hoch.
„Das sieht besser aus. Es gibt dir so was Aufmüpfiges“, meinte sie zufrieden.
Leni war eher elend zumute. Es war schon eine Weile her, seit sie Thomas das letzte Mal gesehen hatte. Und da war Arthur in der Nähe gewesen, bereit, sofort einzugreifen.
Als Thomas vor ein paar Tagen angerufen und um ein Treffen gebeten hatte, war ihr das Herz in die Hose gerutscht. Ging es um die Scheidung? Oder um diesen Zeitungsartikel? Am Telefon wollte er nicht reden. Er hatte ein Café in der Innenstadt als Treffpunkt vorgeschlagen. Leni schaute zum dritten Mal in ihre Handtasche. Geld, Schlüssel, Taschentuch, sie hatte alles dabei. Barbara klopfte ihr aufmunternd auf die Schulter.
„Lass dich nur nicht unterkriegen.“
Mit weichen Knien marschierte Leni los.
Sie sah ihn sofort, als sie das Café betrat. Thomas hatte einen kleinen Tisch am Fenster gewählt. Als sie
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