Rentner-WG - ein Best-Ager-Roman aus Frankfurt
das mal an“, sagte sie tonlos.
Sie stellte zwei Schnapsgläser und die Flasche mit Raki auf den Tisch. Ihr wurde ganz schlecht, wenn sie daran dachte, wie unfreundlich sie zu der Frau gewesen war. Ihr Mann sah sie an.
„Wir wollten hier alt werden mit diesem Laden. Und nun kommt dieses Schwein und macht alles kaputt“, sagte er und griff nach der Flasche. Eine Weile saßen sie schweigend neben einander und tranken. Dann holte er wieder das Telefon.
Es dauerte eine Weile, bis Leni begriff, wer da anrief.
„Bitte wenn Sie das nächste Mal kommen, wir müssen reden“, bat der Mann. Sie wollte sowieso noch Brot holen.
„Ich bin in einer Stunde da“, versprach sie. Sie wandte sich an Arthur, der zugehört hatte.
„Das war der Mann von dem kleinen Laden. Er hat die Kündigung bekommen. Dreimal darfst du raten, von wem er den Laden gepachtet hat.“
Sie schüttelte den Kopf. Er hatte sehr verzweifelt geklungen. Wenn es um das eigene Wohl ging, wurden die Leute plötzlich munter. Aber war sie früher nicht genau so gewesen? Wenn sie überhaupt eine kleine Chance hatten, etwas gegen diesen Köhler auszurichten, dann nur, wenn alle zusammenhielten.
Der Tee schmeckte gut, er war heiß und stark. Die Frau hatte hinter ihr die Ladentür abgeschlossen und sie in das Hinterzimmer gebeten. Leni sah sich um. Eine alte Couch und zwei Stühle standen um einen wackeligen Tisch. Das Regal an der Wand war voll gestopft mit allerlei Kram, an den Wänden hingen Fotos und alte Plakate mit verblassten Farben. Man konnte sich kaum umdrehen, so voll war es hier drinnen. Arkan Simoglu bat Leni, sich auf die Couch zu setzen. Sie schätzte ihn auf Ende Fünfzig, die Frau war etwas jünger. Bestimmt war es nicht einfach, diesen Laden zu führen. Der Supermarkt war ja nicht weit weg.
Inzwischen hatte Leni schon etwas Übung darin, über das City Center zu reden. Lange hatten sie über dem Flugblatt gebrütet und überlegt, was sie schreiben durften, ohne eine Anzeige von Köhler zu riskieren. Schließlich war sogar Arthur zufrieden gewesen, obwohl er diese ganze Aktion als pure Zeitvergeudung ansah. Aber es imponierte ihm, dass Leni sich so ins Zeug legte. Es ging ja schließlich um
sein
Haus.
„Wir wissen noch nicht ganz genau, wie dieses Zentrum aussehen wird, aber es wird wohl den ganzen Block einnehmen.“
Leni faltete ein großes Blatt Papier auseinander und legte es auf den Tisch. Darauf waren grob die Straßen des Viertels eingezeichnet, die vermutlich geschluckt werden sollten.
„Dem Köhler gehören sowieso schon die meisten Häuser. Außer Ihrem Laden betrifft es auch noch die Reinigung und die Apotheke hier vorne am Eck. Mit dem Apotheker habe ich schon gesprochen, der ist für das Zentrum. Er wird dort neue Räume bekommen, zu Sonderkonditionen. Der Reinigung ist es egal. Es ist nur die Filiale einer großen Kette, das Personal wird einfach woanders untergebracht. Hier ist Ihr Laden.“
Sie zeigte auf die Stelle.
„Was kann man tun?“ fragte Arkan und sah Leni erwartungsvoll an. Sie seufzte. Das war der schwierigste Teil des Gesprächs. David gegen Goliath, wie gut standen ihre Chancen? Aber es war wichtig, dass sie nicht aufgaben.
„Wir versuchen, möglichst viele Leute dazu zu bewegen, gegen das Zentrum zu protestieren. Wir gehen an die Öffentlichkeit und zeigen, was hier passiert. In Niederrad leben viele ältere Leute. Die kann man doch nicht einfach so vertreiben. Für die ist auch Ihr kleiner Laden wichtig. Er liegt günstig, und man hat einen Ort, wo man auch mal ein Wort reden kann.“
Sie hatte ihnen den bösen Streich, den sie Barbara mit den Kondomen gespielt hatten, noch nicht verziehen. Mit Genugtuung stellte sie fest, dass die beiden ein schlechtes Gewissen zu haben schienen. Erika senkte den Kopf. Ihr Mann straffte sich.
„Wir müssen uns noch bei Ihnen entschuldigen“, fing er an.
„Doch eher bei meiner Freundin Barbara.“
„Und bei Herrn Winkler.“
Arkan Simoglu holte tief Luft.
„Silvester. Das an Ihrem Haus. Das war unser Sohn.“
Leni starrte ihn mit offenem Mund an.
„Das war ein Streich von Jugendlichen, Sie wissen ja, wie das so ist“, warf Erika ein. Ihr Mann brachte sie mit einem strengen Blick zum Schweigen.
„Das war böse und gemein. Er hat seine Strafe bekommen. Sie können mir glauben, dass so etwas nie wieder passieren wird.“
„Ihr Sohn?“
Er nickte. Leni war schockiert.
„Was haben wir Ihnen eigentlich getan?“
Das Schweigen war Antwort genug.
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