Rentner-WG - ein Best-Ager-Roman aus Frankfurt
Finanziell war sein Rausschmiss bei Köhler natürlich ein harter Schlag, aber Charly war zuversichtlich, dass er sich irgendwie über Wasser halten konnte.
Manchmal half es, sich einen hinter die Binde zu gießen, um den Kopf frei zu bekommen. Ganz automatisch zog es ihn in sein altes Milieu. Hanna, die Wirtin der Roxy Bar, begrüßte ihn wie einen verlorenen Sohn.
„Lässt du dich auch mal wieder bei mir blicken“, schnurrte sie und schob schmollend die Unterlippe vor.
„Ich dachte schon, wir sind dir nicht mehr fein genug.“
Ihre ebenmäßigen Zähne blitzten, und als er seinen Blick in ihr üppiges Dekolleté versenkte, fühlte er sich gleich wieder wie zu Hause.
„Ach Hanna, du bist doch die Beste, wie könnte ich dir jemals untreu werden.“
Er drückte sie an sich und genoss für einen Moment die Wolke von Maiglöckchenparfum, das ihr Markenzeichen war. Sie ließ es sich lachend gefallen, aber dann schob sie ihn in Richtung Bartresen. Einen Moment später stand ein doppelter Whisky vor ihm.
„Mensch, Charly“, begrüßte ihn Eddie, der alte Barkeeper.
„Du lebst ja auch noch.“
„Du weißt doch, Unkraut vergeht nicht.“
Es war schön, die ewig gleichen Sprüche zu hören und in bekannte Gesichter zu schauen. Das Roxy lag in der roten Meile des Bahnhofsviertels. Hier gab es immer viel Laufkundschaft, aber die Bar hatte durchaus auch ihre Stammgäste, die die seriös eingeschenkten Drinks schätzten und natürlich auch die Damen, die eine nach der anderen an der silbern glänzenden Stange der kleinen Bühne ihre Kunsttänze vorführten.
Charly sah sich um, und seine Laune besserte sich schlagartig. Hier hatte sich nichts verändert. Dunkle Plüschsessel waren um die kleinen Tischchen gruppiert, auf denen Kerzen gerade so viel Licht spendeten, dass man die Umgebung wie durch einen Weichzeichner sah. Ein paar Leute kannte er. Man kam gleich ins Gespräch und tauschte sich über dieses und jenes aus. Entspannt und zufrieden lümmelte er auf seinem Barhocker und schmiedete Pläne für seine berufliche Zukunft.
Es war schon spät, und Charly hatte tüchtig Schlagseite, als ein schmaler, grauhaariger Mann die Bar betrat, der sofort von zwei Mädchen bestürmt wurde. Er setzte sich an einen Tisch ganz nahe an der kleinen Bühne und winkte dem Kellner. Es wurde Champagner serviert, und eine ganze Traube von Tänzerinnen scharte sich kichernd und schwätzend um den Mann, der die Aufmerksamkeit sichtlich genoss.
Hanna hatte ihren Posten am Eingang verlassen und setzte sich neben Charly an die Bar. Mit schmerzverzerrtem Gesicht rieb sie ihre Füße.
„Die Schuhe heutzutage werden immer verrückter. Diese hier bringen mich fast um.“
Er warf einen Blick auf die Mörderabsätze der roten Pumps, die unter Hannes Barhocker lagen.
„Dass ihr euch so was antut. Selbst dran schuld.“
Kopfschüttelnd nahm er einen Schluck aus seinem Glas.
„Ihr Kerle seid doch ganz scharf auf so was, kannst es ruhig zugeben. Zu Hause laufe ich nur in Puschen rum oder barfuß.“
Sie grinsten sich an.
Charly beobachtete, wie der Neuankömmling mit den Tanzhäschen Grabschen spielte. Amüsiert verzog er die Mundwinkel.
„Kennste den?“ fragte er Hanna. „Der sieht aus wie die Katze am Sahnetopf.“
Hanna sah ihn erstaunt an.
„Das wundert mich aber, dass du nicht weißt, wer das ist. Ihr habt doch denselben Chef.“
Charly sah sie stirnrunzelnd an.
„Köhler?“
„Nicht so laut! Du weißt, ich bin immer diskret. Aber ich dachte wirklich, ihr kennt euch.“
Charly versuchte vergebens, im dämmrigen Licht mehr von dem Mann zu sehen.
„Der ist wohl Stammgast.“
„Er kommt auf jeden Fall häufiger als du. Du hast dich ja wirklich rar gemacht. In letzter Zeit ist er fast jeden Abend hier. Macht gut Umsatz“, bemerkte sie zufrieden.
„Den hab ich noch nie zusammen mit Köhler gesehen.“
Der Mann in dem schlecht sitzenden Anzug passte so gar nicht zu der Sorte Erfolgsmenschen, mit der sich Bernd Köhler gern umgab. Andererseits, Charly wusste, dass er selbst auch nicht zu den Reichen und Schönen zählte. Hanna beugte sich zu ihm.
„Den wirst du auch so gut wie nie mit Köhler zusammen sehen. Du weißt doch, manche Geschäfte sind geradezu allergisch gegen jede Art von Publicity.“
Sie machte die Geste des Händewaschens, und nun fiel bei Charly endlich der Groschen.
„Ach so“, sagte er gedehnt.
„Na, das hat aber gedauert.“
Hanna stand auf und angelte nach ihren Schuhen.
„Ich muss
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