Rentner-WG - ein Best-Ager-Roman aus Frankfurt
Ihre Adresse.“
Schwungvoll trug Leni die Anschrift von Pia ein.
„Brauchen Sie unseren Umzugsservice? Also, wenn Sie bisher Ihr Konto bei einem anderen Institut hatten. Wegen der Daueraufträge und so was. Das ist kostenlos.“
„Ich möchte heute nur einen Betrag in bar einzahlen. Geht das?“
Bargeld war immer gut. Allerdings schaute der Azubi etwas verblüfft auf das Bündel Geldscheine, das die Frau aus ihrer Handtasche holte. Er seufzte innerlich. Das würde dauern, jeden Schein durch den Scanner zu schieben. Er unterstellte nicht, dass Falschgeld dabei war, aber es musste nun mal sein.
Lässig schob er sich eine Weile später in die Tür des Pausenraums.
„War was?“ erkundigte sich eine Kollegin.
„Kontoeröffnung. Kein Problem“, erklärte er souverän und reichte ihr die Geldscheine. Müller kam endlich zur Pointe seiner Geschichte, und im brüllenden Gelächter der Kollegen ging der Vorgang irgendwie unter.
Leni war in Hochstimmung. Von wegen, sie würde allein nicht zurecht kommen! Sie zückte ihren Notizblock und machte hinter den ersten Punkt „Geld“ einen dicken Haken. Als nächstes stand ihr der Besuch bei diesem merkwürdig einsilbigen Mann bevor. Die Sache mit der Untermiete gefiel ihr allerdings immer besser. Das war auch gut so, denn zurück konnte sie jetzt sowieso nicht mehr.
Ungeduldig strich sich Leni die Haare aus der Stirn. Das ganze Vorhaben kam ihr plötzlich völlig aberwitzig vor. Wann hatte sie das letzte Mal etwas Wichtiges ohne Thomas gemacht? Sie konnte sich gar nicht mehr erinnern. Ganz schön traurig für eine erwachsene Frau von 57 Jahren, auch wenn man ihr dieses Alter nicht unbedingt ansah. Sie hatte immer sehr auf sich geachtet. Und wofür?
„Wer sich selbst klein macht, auf dem kann man leicht herumtrampeln“, erklärte sie ihrem Spiegelbild und griff energisch zur Wimperntusche.
Bis zu der Adresse war es nicht weit. Sie ging zügig, während es in ihrem Kopf wild her ging. Das Telefonat war äußerst seltsam verlaufen. Aber vielleicht war dieser Mann ja trotzdem ganz nett. Wie sahen das Haus und der Garten aus? Der Text auf dem Zettel, Hilfe erwünscht, das konnte alles Mögliche heißen.
Das große, weiß gestrichene Haus war von einer Mauer umgeben. Leni betrachtete die Büsche und Bäume, die von der Straße aus zu sehen waren. Alles sah etwas vernachlässigt aus. Auch die Geranien, die von den Balkonkästen herunter hingen, waren vertrocknet. Leni versuchte, ihre Aufregung in den Griff zu bekommen. ‚Winkler’ stand auf dem Namensschild, das an einem geschwungenen Holztor befestigt war. Hier war sie richtig. Einen Moment atmete sie den Duft einer Kletterrose ein. Weiter hinten rankte eine blaue Clematis an einer Art Pavillon empor. Der Garten war schon mal sehr hübsch. Dann konnte es nicht gar so schlimm werden.
Sie betrat den kleinen Weg, der zum Haus führte. Auf ihr Klingeln rührte sich nichts. Sie wartete einen Moment und schellte noch einmal. Vielleicht war das Ding kaputt. Ein Windstoß fuhr durch die Zweige der Büsche. Nervös schreckte sie zusammen. Sie hatte ein komisches Gefühl im Bauch. Aber was sollte schon sein? Wahrscheinlich hatten die Leute nur vergessen, dass sie für heute verabredet waren oder saßen im Garten. Sie ging um das Haus herum. Die Terrassentür stand offen, also war bestimmt jemand da.
„Hallo? Herr Winkler? Ist da jemand?“
Die hellen Vorhänge bewegten sich lautlos im Wind. Unsicher schaute Leni sich um, dann betrat sie das Haus und stand im Wohnzimmer. Ein Schrank aus Pinienholz, helle Polstermöbel, alles sehr nett. Aber wo waren die Bewohner?
„Hallo, ist jemand zu Hause?“ Zögernd ging sie weiter in den Flur. Da hörte sie ein leises Stöhnen.
In dem Zimmer, aus dem das Geräusch gekommen war, lag ein älterer Mann zusammengekrümmt neben einem Bett auf dem Boden. Sein Gesicht war aschfahl, die Augen geschlossen. Leni fühlte seinen Puls, der schnell und unregelmäßig war. Im Zimmer war es stickig. Sie öffnete das Fenster. Automatisch knöpfte sie sein Hemd auf, damit er besser Luft bekam. Sollte sie den Notarzt rufen? Sie fand das Badezimmer und rümpfte die Nase. Hier roch es intensiv nach Parfum. Sie hielt ein Gästehandtuch unter den Wasserhahn und legte es dem Mann auf die Stirn. Dann nahm sie ein Kissen vom Bett und stopfte es ihm unter die Kniekehlen. Vorsichtig tätschelte sie sein Gesicht. Endlich schlug er die Augen auf.
„Wer sind
Sie
denn?“
Er wollte sich aufrichten, aber mit
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