Rentner-WG - ein Best-Ager-Roman aus Frankfurt
Gesichter der beiden gefreut, wenn sie seine Geschenke sahen. Aber jetzt wurde er unsicher. Traurig steckte er sich eine neue Zigarette an und klappte das Kellerfenster auf. Die Luft war schon reichlich dick hier unten. Er hatte es mit aller Gewalt vermeiden wollen, aber natürlich wanderten seine Gedanken zum letzten Weihnachtsfest und zu Maria. Er war nie sonderlich religiös gewesen, und der Gedanke, dass sie jetzt irgendwo in einem Himmel herumschwebte, sagte ihm nichts. Sie fehlte ihm hier, mehr, als er sagen konnte.
Er war dankbar, dass Leni und Barbara da waren. Das Leben war völlig anders als früher, aber er konnte es wieder halbwegs als Leben akzeptieren. Wann immer ihn Trauer überfiel, war eine von ihnen da und fand Worte, manchmal tröstend, manchmal komisch, bisweilen auch energisch. Inzwischen schätzte er sogar die Kräche mit Leni. Da waren noch Leidenschaft und Dinge, für die man kämpfen wollte.
Es lag nur an diesem verdammten Heiligabend. Aus dem Vorratskeller nebenan holte er eine Flasche Bier, die er fachmännisch mit einem Schraubenzieher öffnete. Irgendwie fürchtete er sich davor, nach oben zu gehen.
Barbara saß vor ihren Päckchen und überlegte, was sie jetzt machen sollte. Eine Weile war sie eingenickt, aber nun war sie hellwach und aufgeregt. Es war dunkel draußen. Sie schaute auf die Uhr, kurz nach halb Acht. Im Haus war es still, nicht einmal der Fernseher lief. Ob Arthur noch in seinem Keller saß? Und wo war Leni? Sie bekam allmählich Hunger. Seit dem Frühstück hatte sie nichts mehr gegessen.
Das Treppenhaus war hell erleuchtet, auch in der Küche brannte Licht. Sie schnitt eine Scheibe Brot ab und suchte im Kühlschrank herum. Mit dem Teller in der Hand ging sie ins Wohnzimmer. Hier brannte nur eine kleine Stehlampe, aber das Kaminfeuer verbreitete flackerndes Licht und Wärme. Fast hätte sie Leni gar nicht gesehen, die eingerollt in eine Decke vor dem Kamin auf dem Boden lag und leise vor sich hin schnarchte. Die fast leere Whiskyflasche und das Glas daneben sprachen Bände.
Barbara spürte, wie ihre Verbitterung wuchs. Leni hatte sich schon mal außer Gefecht gesetzt. Und Arthur? Das Licht an der Kellertreppe brannte, also saß er vermutlich noch unten in seinem Arbeitsraum. Sie kaute an ihrem Brot und spülte es mit einem Glas Wasser hinunter. Schönes Weihnachten, dachte sie frustriert. Da wäre sie ja allein noch besser dran gewesen. Ohne Rücksicht auf die schlafende Leni schaltete sie den Fernseher an und zappte durch die Sender. Heiligabend vor der Glotze, das war wirklich das Letzte.
Kurz darauf rührte sich etwas im Keller. Arthur kam die Treppe herauf. Er warf einen Blick auf Leni, die immer noch vor dem Kamin auf dem Teppich lag.
„Frohe Weihnachten“, murmelte er undeutlich in Barbaras Richtung und legte zwei Päckchen auf den Tisch. Barbaras Augen fingen an zu leuchten. Schnell huschte sie die Treppe hoch und kam mit ihren zwei Geschenken hinunter. Nun sah es richtig nach Bescherung aus.
„Dir auch frohe Weihnachten!“
Kurz entschlossen drückte sie Arthur mit beiden Armen fest an sich und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Erschreckt über ihre Kühnheit wich sie sofort wieder zurück.
„Hier, das ist für dich“, sagte sie und reichte ihm sein Geschenk. Arthur überreichte ihr mit feierlicher Miene seine Schnitzarbeit.
„Und hier ist dein Weihnachtsgeschenk.“
Leni bewegte sich unter ihrer Decke und schlug die Augen auf.
„Was ist denn hier los?“, wollte sie wissen.
„Bescherung!“, sagten Arthur und Barbara wie aus einem Mund.
Leni rappelte sich mühsam hoch. Es war keine gute Idee gewesen, sich auf den Boden zu legen.
„Ihr habt sie wohl nicht mehr alle“, beschwerte sie sich.
„Weihnachten fällt dieses Jahr aus, da waren wir uns doch einig.“
Mit weichen Knien kam sie zum Tisch. Da sah sie das wunderschön gearbeitete Kästchen, das ihr Arthur hinhielt.
„Das ist für dich.“
Barbara nahm das zweite Päckchen.
„Und das ist von mir.“
Leni stand da wie vom Donner gerührt. Das war unfair. Wie kamen die beiden dazu, hier Bescherung zu machen? Sie schämte sich sehr, dass sie nichts vorbereitet hatte.
Wie auf Kommando konzentrierten sich Barbara und Arthur auf ihre Geschenke. Barbara betrachtete entzückt den Engel. Sie war gerührt von Arthurs Feinfühligkeit.
„Woher weißt du, dass ich an Engel glaube?“
Arthur zuckte mit den Schultern.
„Du bist der Typ dafür.“
„Der ist wunderschön“, sagte sie
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