Rentner-WG - ein Best-Ager-Roman aus Frankfurt
Womanizer.“
„Ganz schlechtes Thema“, klärte Barbara sie auf. „Wir haben jede Menge Ärger mit den Nachbarn.“
Sie war erleichtert, dass Linse nicht nachhakte. Die schlug lässig die Beine übereinander und trank einen Schluck Kaffee. Sie schien die Absage nicht übel zu nehmen. Ihr Blick schweifte über den Rasen zu dem Pavillon.
„Herrlich ist es hier. Diese Terrasse, der hübsche Ausblick. Ich liebe Gärten.“ Sie sprang auf.
„Ich schau mich mal ein bisschen um, ja?“
Ehe Arthur etwas sagen konnte, zog sie ihre Sandalen aus und warf sie unter den Tisch. Leichtfüßig sprang sie die Stufen hinunter und beugte sich über ein Büschel gelber Narzissen. Er schaute ihr entgeistert hinterher. Barbara zuckte mit den Schultern, als wolle sie sagen: Da kann man nichts machen, so war sie schon immer.
Von ihrem Balkon aus bemerkte Leni die Frau mit den roten Haaren sofort. Wer das wohl war? Interessiert beobachtete sie, wie die Besucherin hier und da stehen blieb und sich bückte. Sie roch an den Frühlingsblumen und schlenderte dann gemächlich weiter. Vor dem Pavillon blieb sie stehen, betrachtete ihn eine Weile und ging einmal darum herum. Leni griff nach Eimer und Wischtuch. Das musste sie sich aus der Nähe ansehen.
„Wer ist denn der Feuermelder“, platzte sie heraus, noch ehe sie richtig saß. Arthur und Barbara schienen sie gar nicht wahr zu nehmen, sondern starrten der Fremden hinterher, die jetzt den Pavillon betrat.
„Eine Freundin“, sagte Barbara gedankenverloren.
„Die benimmt sich, als wäre sie hier zu Hause. Jetzt geh ich doch mal hin.“
Energisch stapfte Arthur über den Rasen.
Früher war der Pavillon Mittelpunkt vieler glücklicher Sommer gewesen. Nach Südosten hin hatte er eine Glasfront, die man ganz aufschieben konnte, so dass man ‚drinnen draußen’ saß, wie seine Jungens es einmal formuliert hatten. Der Rasen davor bot viel Platz zum Spielen und Toben. Ein paar Korbmöbel, ein wackeliger Tisch und allerlei vergessenes Gerümpel, mehr stand nicht in dem einzigen Raum, der seit dem Auszug der Söhne nicht mehr benutzt worden war.
Arthur lehnte im Türrahmen und schaute sich um. Was hatten sie früher hier nicht alles veranstaltet! Er erinnerte sich an ein großes Indianerlager, in dem ein Dutzend wilder Krieger eine ganze Woche kampiert hatte. Später diente das Häuschen als Partyraum, in dem die Jugendlichen die Musik laut aufdrehen konnten und unter sich waren. Durch die verstaubten Fenster malte die Märzsonne helle Kringel auf den Holzfußboden. Er lächelte versonnen.
„Man spürt noch ein bisschen von dem, was hier einmal los war“, sagte die Frau.
Sie war neben ihn getreten.
„Ja, hier war immer Betrieb, als die Kinder noch klein waren. Und auch später. Wir wollten ihn schon abreißen lassen, aber es hängen so viele Erinnerungen daran.“
Die Frau zog ein Taschentuch heraus und putzte damit ein kleines Stück in der Fensterscheibe frei. Feine Staubteilchen tanzten in der Sonne.
„Schauen Sie nur, das ist ein perfektes Atelier“, sagte sie.
„Sind Sie Malerin?“
Arthur fiel wieder ein, weshalb er her gekommen war. Auch ohne die roten Haare wäre diese Person eine auffallende Erscheinung gewesen. Für eine Frau war sie sehr groß. Ihre Haut war sonnengebräunt, und sie strahlte Energie und Lebensfreude aus. Überhaupt hatte sie mit ihrer lockeren Art etwas Südländisches an sich. Er konnte sich gut vorstellen, dass sie Künstlerin war. Sie lachte leise.
„Das wäre ich gern. Aber da würde ich verhungern. Nein, das ist mein Hobby, oder genauer meine Leidenschaft. Von Beruf bin ich Journalistin.“
Amüsiert hatte sie seine Begutachtung über sich ergehen lassen und ihn ihrerseits gemustert.
„Sie machen etwas Handwerkliches.“
Es war mehr eine Feststellung als eine Frage.
„Woher wissen Sie das?“
Sie wies auf seine Hände mit den Narben und Kratzern seines langen Arbeitslebens.
„Kräftige Hände mit sensiblen Fingern. Stark und feinfühlig zugleich, würde ich sagen. Wenn man malen will, muss man als erstes lernen, genau zu beobachten.“
Arthur betrachtete seine Hände, als hätte er sie noch nie gesehen. Diese Linse war schon erstaunlich. Dann räusperte er sich.
„Es ist ja wirklich nett, mit Ihnen zu plaudern. Aber wie ich schon sagte, wir haben hier keinen Platz, um Sie auch noch zu beherbergen. Die Damen bevölkern den ersten Stock, und ich wohne unten.“
Zu seiner eigenen Verblüffung klang so etwas wie Bedauern mit.
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