Replay - Das zweite Spiel
Gesellschaft - leben mit der Brutalität, mit dem willkürlichen Tod. Wir ignorieren das nahezu, außer wenn es uns unmittelbar zu bedrohen scheint. Schlimmer noch, manche Leute finden es sogar unterhaltsam, ein Nervenkitzel aus zweiter Hand. Das sind die achtzig Prozent, um die es sich im Nachrichtengeschäft vor allem dreht: Amerika mit seiner täglichen Dosis Tragödie zu versorgen, bestehend aus anderer Menschen Blut und Qual. Wir sind die Antareaner aus Stuart McCowans Wahnsinnsphantasien. Er und all die anderen unmenschlichen Schlächter dort draußen sind tatsächlich Darsteller auf einer Bühne, aber das blutgeile Publikum befindet sich unmittelbar hier, nicht irgendwo im Weltraum. Und es gibt nichts, was du oder ich jemals tun könnten, um etwas daran zu ändern oder um auch nur den kleinsten Spritzer dieser Blutwoge abzufangen. Wir tun bloß, was wir immer getan haben und immer tun werden - es akzeptieren, aus unserem Bewusstsein verdrängen, so gut wir können, und unser Leben weiterleben. Find dich damit ab, wie wir es auch mit all dem anderen hoffnungslosen, unausweichlichen Leiden tun.«
Die Anzeige erbrachte weiter Antworten, wenn auch keine davon Früchte trug. Im Jahre 1970 schränkten sie die Anzahl der Publikationen ein, in denen sie erschien; und ab Mitte des Jahrzehnts wurde sie nur noch einmal im Monat abgedruckt, in weniger als einem Dutzend der Zeitungen und Magazine mit der weitesten Verbreitung.
Ihr Apartment in der Bank Street, im Westen des Village, wurde allmählich von Aktenschränken beherrscht. Jeff und Pamela bewahrten selbst die allervagesten Antworten auf die Anzeige auf, zusammen mit Ausschnitten aus den Periodika, die sie täglich nach potenziellen Anachronismen durchsuchten, Anachronismen, die ihnen einen Hinweis auf das Wirken eines anderen Wiederholers irgendwo auf der Welt hätten geben können. Häufig hatten sie Mühe zu entscheiden, ob irgendein unbedeutenderes Ereignis oder Produkt oder Kunstwerk in den früheren Wiederholungen existiert hatte oder ob nicht - nie zuvor hatten sie so aufmerksam auf derlei Kleinigkeiten geachtet. Viele Male kontaktierten sie Erfinder oder Unternehmer, deren neutral publizierte Produkte ihnen unbekannt waren, doch die offenkundigen Hinweise erwiesen sich ausnahmslos als falsch.
Im März 1979 entdeckten Jeff und Pamela diesen Artikel in der Chicago Tribüne:
MÖRDER VON WISCONSIN FREIGELASSEN
VON ÄRZTEN FÜR ›GEHEILT‹ ERKLÄRT
Crossfield, Wise. (AP) Der bekannte Massenmörder Stuart McCowan, nach der Ermordung von vier jungen Collegestudentinnen im Jahre 1966 in einem Verbindungshaus in Madison wegen Unzurechnungsfähigkeit für schuldunfähig erklärt, wurde heute aus der privaten psychiatrischen Anstalt entlassen, in der er die vergangenen zwölf Jahre über festgehalten wurde. Dr. Joel Pfeiffer, Direktor des Crossfield-Heims, sagte: ›McCowan ist von seinen Wahnvorstellungen vollkommen genesen und bedeutet heute keine Gefahr mehr für die Allgemeinheit.‹
McCowan wurde der Ermordung der vier Studentinnen und deren Verstümmelung angeklagt, nachdem ein Zeuge seinen Wagen als den identifiziert hatte, der in den frühen Morgenstunden des 6. Februar 1966 vom Parkplatz des Kappa-Gamma-Verbindungshauses weggefahren ist, in dem die Leichen entdeckt wurden. Die Bundespolizei von Wisconsin nahm McCowan noch am selben Tag außerhalb der Stadt Chippewa Falls fest. Im Kofferraum des Wagens fand sie einen blutverschmierten Eispickel, eine Bügelsäge und eine Reihe von Folterinstrumenten.
McCowan gab offen zu, die jungen Frauen ermordet zu haben, und behauptete, von außerirdischen Wesen dazu veranlasst worden zu sein. Des Weiteren behauptete er, daran zu glauben, mehrmals wiedergeboren worden zu sein und in seinen »früheren Leben‹ weitere Morde begangen zu haben.
Er wurde ähnlicher Mehrfachmorde in Minnesota und Idaho verdächtigt, die sich in den Jahren 1964 und 1965 ereignet hatten, doch wurde seine Verbindung mit diesen Verbrechen niemals nachgewiesen. Am 11. Mai 1966 wurde McCowan für nicht verhandlungsfähig erklärt und in das Bundeskrankenhaus für kriminelle Geistesgestörte von Wisconsin eingewiesen. Im März 1967 wurde er auf eigene Kosten in das Crossfield-Heim verlegt.
Pamela zog den Gummiriemen um Jeffs Arm stramm und zeigte ihm, auf welche Vene er zielen und wie er die Injektionsnadel mit der Schräge nach oben und dem dünnen Schaft parallel zur Vene seitlich einstechen soll.
»Wie aber steht es mit der
Weitere Kostenlose Bücher