Replay - Das zweite Spiel
würden.
Außerdem, dachte Pamela und biss sich auf die Lippen, würde es nicht für lange sein. Bevor sie auf die High School kämen, würden sie wieder in New Rochelle bei ihrem Vater sein.
Dreieinhalb Jahre. Ihre letzte Wiederholung. Die letzten Monate und Tage ihres auf so phantastische Weise verlängerten Lebens.
Sie hatte vor, sie alle zu genießen - bis zur Neige.
Es war einer dieser Regenfälle, die niemals aufhören, sondern einfach mit dumpfer, unablässiger Beharrlichkeit weitergehen.
Seit zwei Tagen saßen sie jetzt schon in der Hütte fest und es wurde allmählich stickig, die Luft war muffig vom Geruch des Schimmels auf der Lederjacke, die Christopher über Nacht auf dem Verandageländer hatte hängen lassen und die er am nächsten Morgen hereingeholt hatte, um sie am Ofen zu trocknen.
»Kimberly«, rief Pamela aufgebracht. »Würdest du bitte damit aufhören, auf den Teller zu trommeln!«
»Sie kann dich nicht hören«, sagte Christopher, beugte sich über den Tisch und lupfte den kleinen Schaumstoffkopfhörer vom linken Ohr seiner Schwester. »Mom sagt, du sollst damit aufhören«, übertönte er die blechernen Klänge von Madonnas ›Like a Virgin‹.
»Stell das ganz ab«, sagte Pamela. »Es ist unhöflich, beim Mittagessen Musik zu hören.«
Kimberly setzte ihr beleidigtstes Gesicht auf und zog eine Schnute, nahm den Kopfhörer jedoch ab und legte den Walkman folgsam beiseite. »Ich möchte noch ein Glas Milch«, sagte sie in gereiztem Ton.
»Die Milch ist uns ausgegangen«, erinnerte sie Jeff. »Morgen fahre ich in die Stadt, ich bring dann welche mit. Du kannst mitkommen, wenn du Lust hast. Bis dahin hat es vielleicht zu regnen aufgehört, und wir könnten am Wasserfall spazieren gehen.«
»Ich hab den Wasserfall schon gesehen«, quengelte Kimberly. »Ich will mir MTV anschauen.«
Jeff lächelte nachsichtig. »Damit wirst du hier kein Glück haben, Kleine«, sagte er. »Wir könnten stattdessen Kurzwelle hören. Mal sehen, was es in China oder Afrika Neues gibt.«
»China und Afrika sind mir egal. Ich hab Langeweile!«
»Warum unterhalten wir uns dann nicht einfach?«, schlug Pamela vor. »Das war früher so üblich, weißt du.«
»Ja, klar«, murmelte Christophen »Aber was hatten sie bloß immer miteinander zu reden?«
»Manchmal haben sie sich gegenseitig Geschichten erzählt«, warf Jeff ein.
»Das ist eine gute Idee«, sagte Pamela, munterer werdend. »Soll ich euch eine Geschichte erzählen?«
»Mein Gott, Mom, bloß nicht«, protestierte Christophen »Was glaubst du, wo wir sind, etwa im Kindergarten?«
»Ich weiß nicht«, sagte Kimberly überraschend nachdenklich. »Vielleicht würde es Spaß machen, eine Geschichte zu hören. Das haben wir schon lange nicht mehr gemacht.«
»Bist du einverstanden, es auf einen Versuch ankommen zu lassen?«, fragte Pamela ihren Sohn.
Er zuckte mit den Achseln, gab keine Antwort.
»Also«, begann sie, »vor vielen tausend Jahren gab es einen weiblichen Delphin namens Cetacea. Eines Tages erwachte in ihrem Kopf eine seltsame neue Bewusstheit, als wäre sie vom Himmel über dem Meer oder von noch weiter her über sie gekommen. Das geschah zu der Zeit, als Delphine und Menschen gelegentlich miteinander sprachen, doch…«
Und mit dem sanften Sommerregen im Hintergrund erzählte sie ihnen die Geschichte von Starsea, vom gemeinsamen Band liebevoller Hoffnung, das die intelligenten Wesen der Erde, des Meeres und der Sterne miteinander verband … und von dem katastrophalen Verlust, der schließlich zum von Trauer überschatteten ersten umfassenden Kontakt der Menschheit mit ihren Meeresgeschwistern führte.
Zu Anfang zappelten die Kinder ein wenig herum, doch als die Erzählung voranschritt, lauschten sie mit zunehmender Faszination, während ihre Mutter mit Worten den Film nacherzählte, der ihr einmal weltweite Anerkennung eingebracht und sie mit Jeff zusammengeführt hatte. Als sie geendet hatte, weinte Kimberly, jedoch mit einem Schimmer von Entzückung in den jungen Augen. Christopher hatte das Gesicht zum Fenster gewandt und sprach lange kein Wort.
Kurz vor Anbruch der Dämmerung brach ein einzelner Sonnenstrahl durch die Wolken, und Jeff und Pamela stellten sich auf die Veranda und sahen zu, wie er allmählich verblasste. Die Kinder zogen es vor, drinnen zu bleiben. Kimberly hatte sich von Pamela Wasserfarben ausgeborgt und malte Bilder mit Sternen und Delphinen, während Christopher sich in eins von John Lillys Büchern vertieft
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