Replay - Das zweite Spiel
Kimberly würde gerade acht werden. Christopher wäre elf.
Sie legte den Kaffeefilter beiseite und schickte sich an, die Küche zu verlassen - da erinnerte sie sich an etwas und hielt lächelnd inne. Sie öffnete eine der Schubladen unter der Anrichte, wühlte hinter den Mehl- und Reisschachteln … Und, na bitte, da war er, genau dort, wo sie ihn immer versteckt hatte: ein verschlossener Plastikbeutel mit fast einer Unze Gras und einem Päckchen E-Z-Wider-Zigarettenpapier. Ihr einsames Laster in jenen Tagen, ihr einziges wirksames Fluchtmittel aus der Eintönigkeit der Hausarbeit und der Mutterschaft.
Pamela legte das Marihuana dorthin zurück, wo sie es gefunden hatte, und ging ins Wohnzimmer. Dort hingen die Familienfotos, zusammen mit zwei der Gemälde, die sie auf dem College gemalt hatte. Die Ansätze, die sich darin zeigten, waren innerhalb dieser Lebensspanne nicht weiterentwickelt worden. Warum hatte sie ihr Talent bloß brachliegen lassen?
Von oben kam gedämpfte Musik: Cyndi Laupers sang mit karikierend hüpfender Stimme ›Girls Just Want to Have Fun‹. Kimberly musste von der Schule zurück sein. Christopher war vermutlich auf seinem Zimmer und spielte mit dem Apple-II-Computer, den sie ihm zu Weihnachten geschenkt hatten.
Sie setzte sich in den Sessel in der Diele, nahm einen Kugelschreiber und einen Notizblock vom Telefontischchen und wählte die Auskunft von New York City. Es gab keine Eintragung für einen Jeff oder Jeffrey Winston in Manhattan oder Queens. Auch keine Linda oder L. Winston. Es war nur ein Versuch gewesen, es bestand kein Grund zu der Annahme, er könne wieder in New York leben. Pamela versuchte es erneut bei der Auskunft, diesmal in Orlando. Seine Eltern waren aufgeführt. Sie rief sie an, und Jeffs Mutter nahm den Hörer ab.
»Hallo, mein Name ist Pamela Phillips, und …«
»Ach, du meine Güte! Jeff hat uns gesagt, dass Sie versuchen würden, mit ihm Kontakt aufzunehmen, aber mein Gott, das ist schon eine Ewigkeit her. Drei Jahre, glaube ich, vielleicht sogar vier.« Die Stimme der Frau wurde leiser, sie sprach zu jemand anderem: »Liebling! Das Phillips-Mädchen ist dran, von der Jeff meinte, dass sie vielleicht anrufen werde, weißt du noch? Könntest du mir den Umschlag raussuchen, den er geschickt hat?« Dann wieder in den Hörer: »Pamela? Warten Sie bitte einen Moment. Jeff hat eine Nachricht für Sie hinterlassen. Mein Mann holt sie gerade.«
»Danke. Könnten Sie mir sagen, wo Jeff sich aufhält, wo er jetzt lebt?«
»Er lebt in Kalifornien, in einer kleinen Stadt - jedenfalls ganz in der Nähe davon, sagt er. Montgomery Creek heißt sie, nahe Oregon.«
»Ja«, sagte Pamela. »Ich weiß, wo das liegt.«
»Er meinte, Sie würden das kennen. Wissen Sie, es gibt nicht mal ein Telefon dort draußen, können Sie sich das vorstellen? Wenn ich daran denke, dass ihm dort etwas zustoßen könnte, wird mir ganz schlecht vor Angst, aber er sagt immer, für solche Fälle habe er ein Kurzwellenfunkgerät. Ich weiß einfach nicht, was über ihn gekommen ist, ein erwachsener Mann, der seinen Beruf aufgibt, seine Frau verlässt und … Oh, es tut mir ja so Leid. Ich hoffe, ich hab keinen Unsinn geredet, weil…«
»Ist schon in Ordnung, Mrs. Winston. Wirklich.«
»Jedenfalls war das alles sehr sonderbar. So eine Dummheit würde man bei einem Collegestudenten erwarten, aber bei einem Mann seines Alters - nicht mehr lange, und er wird vierzig, wissen Sie … Oh, danke, Liebling. Pamela? Ich habe den Umschlag in der Hand, den er uns für den Fall geschickt hat, dass Sie anrufen. Er meinte, wir sollten ihn einfach öffnen und Ihnen vorlesen. Möchten Sie sich einen Kugelschreiber oder irgendwas holen?«
»Ich bin bereit.«
»Okay, dann wollen wir mal sehen… Hmmm. Man sollte glauben, nach all der Zeit und so viel Geheimniskrämerei sollte es mehr als das sein.«
»Wieso? Was steht denn da?«
»Es ist bloß eine Zeile. Sie lautet: ›Wenn du kommst, bring unbedingt deine Kinder mit. Ich liebe dich. Jeff.‹ Das ist alles. Haben Sie es mitbekommen? Soll ich es noch einmal vorlesen?«
»Nein«, sagte Pamela, während sich ein Lächeln über ihre plötzlich geröteten Züge breitete. »Haben Sie vielen Dank, aber ich habe es ausgezeichnet verstanden.«
Sie legte auf, sah zur Treppe. Christopher und Kimberly waren jetzt alt genug. Der Gedanke, ihr Zuhause zu verlassen, würde ihnen zunächst nicht gefallen, doch sie wusste, dass sie Montgomery Creek und Jeff bald lieb gewinnen
Weitere Kostenlose Bücher