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Replay - Das zweite Spiel

Titel: Replay - Das zweite Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Grimwood
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was ich wirklich zu finden erwartete, wenn ich nach draußen ging. Nebel, Leere … einfach der Tod. Dann kam meine Mutter nach Hause, marschierte durch die Tür herein, vor der ich solche Angst hatte. Ich glaubte, sie sei eine Art verkleideter Erscheinung und wolle mich vors Jüngste Gericht schleppen, und da begann ich zu schreien.
    Sie brauchte lange, um mich zu beruhigen. Sie rief den Hausarzt, er kam vorbei, gab mir eine Spritze - Demerol vermutlich -, und ich wurde ohnmächtig. Als ich wieder zu mir kam, war mein Vater da, stand neben dem Bett und sah sehr besorgt aus, und ich glaube, erst da wurde mir allmählich klar, dass ich nicht wirklich tot war. Er wollte mich nicht aufstehen lassen, aber ich lief die Treppe hinunter und öffnete die Haustür, ging im Morgenmantel auf den Hof hinaus … und natürlich war alles vollkommen normal. Die Umgebung war genau so, wie ich sie in Erinnerung hatte. Der Hund von nebenan kam zu mir her und leckte mir die Hand, und da musste ich aus irgendeinem Grund wieder weinen.
    Die folgende Woche über ging ich nicht zur Schule, lag in meinem Zimmer herum und gab vor, krank zu sein, dachte einfach nur nach. Versuchte zunächst herauszufinden, was geschehen war, aber ich brauchte nicht lange, um zu begreifen, dass dies ein hoffnungsloses Unterfangen war. Dann, als die Tage verstrichen und sich nichts veränderte, legte ich mir einen Plan zurecht.
    Bedenken Sie, ich hatte nicht die Möglichkeiten, die Sie hatten. Ich war erst vierzehn, lebte noch zu Hause, besuchte noch die Junior High School. Ich konnte keine Pferdewetten abschließen oder nach Paris reisen. Ich saß fest.«
    »Das muss schrecklich gewesen sein«, sagte Jeff voller Mitgefühl.
    »Das war es, aber irgendwie kam ich zurecht. Mir blieb keine Wahl. Ich wurde … Ich zwang mich dazu, wieder ein junges Mädchen zu werden, versuchte alles zu vergessen, was ich in meinem ersten Leben erlebt hatte, das College, die Ehe … die Kinder.«
    Sie machte eine Pause, sah zu Boden. Jeff dachte an Gretchen, streckte seinen Arm aus und legte eine Hand auf Pamelas Schulter. Als sie zurückzuckte, nahm er die Hand wieder weg.
    »Wie auch immer«, fuhr sie fort, »nach ein paar Wochen - einigen Monaten - verblasste die erste Existenz in meinem Bewusstsein, als wäre sie ein langer Traum gewesen. Ich ging zur Schule, lernte alles von Grund auf neu, als hätte ich nie studiert. Ich wurde sehr scheu, ein Bücherwurm, vollkommen anders, als ich beim ersten Mal gewesen war. Ging niemals aus, hörte auf, mit der Clique rumzuhängen, mit der ich befreundet gewesen war. Die Erinnerungen oder Visionen, in denen ich meine Freunde als Erwachsene vor mir sah, waren mir unerträglich. Ich wollte das alles auslöschen und vor mir so tun, als hätte ich diese Art von Bewusstsein nicht.«
    »Haben Sie es irgendwann mal… jemandem erzählt?«
    Sie nippte am Bier, nickte. »Gleich nach der Schreiepisode, als ich zum ersten Mal zurückkehrte, schickten mich meine Eltern zu einer Psychiaterin. Nach ein paar Sitzungen glaubte ich, ihr vertrauen zu können, also schilderte ich ihr, was ich durchgemacht hatte. Sie lächelte, gab leise aufmunternde Laute von sich und verhielt sich sehr verständnisvoll, aber ich wusste, dass sie alles für eine Phantasievorstellung hielt. Natürlich wollte ich das ebenfalls glauben … also wurde es eine. Bis ich ihr von der Sache mit Kennedy erzählte, eine Woche bevor es passierte. Das brachte sie aus der Fassung. Sie wurde sehr ärgerlich und weigerte sich, mich weiterhin zu treffen. Sie kam nicht damit zurecht, dass ich die Ermordung so detailliert beschrieben hatte, dass diese Phantasievorstellung plötzlich auf die schrecklichste, überwältigendste Weise, die man sich nur vorstellen kann, Wirklichkeit geworden war.«
    Pamela musterte Jeff einen Moment lang schweigend. »Es erschreckte mich ebenfalls«, fuhr sie fort. »Nicht nur, weil ich gewusst hatte, dass er erschossen werden würde, sondern weil ich mir so sicher war, dass Lee Harvey Oswald der Täter sein würde. Von diesem Nelson Bennett hatte ich nie gehört - ich hatte natürlich keine Ahnung davon, dass Sie nach Dallas geflogen waren und eingegriffen hatten -, und danach veränderte sich mein Realitätsempfinden. Es war, als wüsste ich den einen Moment alles über die Zukunft und im nächsten absolut nichts mehr. Ich befand mich in einer anderen Welt mit anderen Regeln. Alles konnte geschehen - meine Eltern konnten sterben, es konnte einen Atomkrieg geben

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