Replay - Das zweite Spiel
weiter.«
»Vielleicht hält es an, bis jeder Einzelne über das Wissen verfügt«, sagte sie ruhig.
»Das glaube ich nicht. Wir wussten beide augenblicklich Bescheid, und es scheint so, als würde man es entweder erkennen oder nicht. Jeder andere durchläuft einfach nur die gleichen Muster.«
»Ausgenommen die Leute, deren Leben wir berühren. Wir können Veränderungen herbeiführen.«
Jeff lächelte zynisch. »Dann sind wir beide Propheten, Erlöser?«
Sie schaute versonnen aufs Meer hinaus. »Vielleicht sind wir das.«
Er setzte sich aufrecht hin, starrte sie an. »Warten Sie einen Moment. Das ist doch nicht das, worum es in Ihrem Film im Grunde geht, oder, nämlich die Leute vorzubereiten auf… Sie haben doch nicht vor …«
»Ich weiß nicht genau, was ich vorhabe, noch nicht.
Alles ist anders geworden, jetzt, wo Sie aufgetaucht sind. Damit habe ich nicht gerechnet.«
»Was wollen Sie tun, eine Art Kult in die Welt setzen? Wissen Sie nicht, welche Katastrophe …«
»Ich bin nicht allwissend«, erwiderte sie heftig. »Ich bin genauso durcheinander wie Sie, und ich will nichts weiter, als meinem Leben einen Sinn zu verleihen. Wollen Sie einfach aufgeben, nicht einmal herauszufinden versuchen, was es bedeutet? Dann viel Glück! Gehen Sie zurück zu Ihrer gottverdammten Farm und vegetieren Sie, aber erzählen Sie mir nicht, wie ich mit alldem zurechtzukommen habe, okay?«
»Ich habe Ihnen lediglich meinen Rat angeboten. Können Sie sich sonst jemanden vorstellen, der dazu qualifiziert wäre, unter den gegebenen Umständen?«
Sie blickte ihn finster an, noch immer verstimmt. »Darüber können wir später reden. Wollen Sie sich jetzt meine Geschichte anhören, oder nicht?«
Jeff ließ sich in die weichen Polster zurücksinken und beäugte sie vorsichtig. »Natürlich will ich«, sagte er bedächtig. Es war schwer vorherzusagen, was sie hochgehen ließ. Nun, er konnte nachempfinden, was sie durchgemacht hatte; es fiel ihm nicht schwer, Nachsicht mit ihr zu üben.
Sie nickte einmal heftig. »Ich hole uns noch ein Bier.«
Pamela Phillips, erfuhr Jeff, war 1949 in Westport, Connecticut geboren worden, als Tochter eines erfolgreichen Immobilienmaklers. Sie hatte eine normale Kindheit gehabt, die üblichen Krankheiten, die gewöhnlichen Freuden und Träume der Adoleszenz. In den späten 60ern hatte sie am Bard College Kunst studiert, eine Menge Dope geraucht, war nach Washington marschiert und mit ebenso vielen Männern ins Bett gegangen wie die anderen jungen Frauen ihrer Generation. Den Konventionen entsprechend war sie nicht lange nach Nixons Rücktritt ›vernünftig‹ geworden, hatte einen Rechtsanwalt geheiratet, war nach New Rochelle gezogen. Bekam zwei Kinder, einen Jungen und ein Mädchen. Sie las gern Liebesromane, ihr Hobby war Malen, und wenn sie Gelegenheit dazu hatte, leistete sie sich ab und zu etwas Wohltätigkeitsarbeit. Sie hatte sich darüber geärgert, keine Karriere gemacht zu haben, hatte gelegentlich heimlich einen Joint geraucht, wenn die Kinder im Bett waren, hatte Aerobic gemacht, um ihre Figur in Form zu halten.
Im Alter von neununddreißig Jahren war sie an einem Herzinfarkt gestorben. Im Oktober 1988.
»An welchem Tag?«, fragte Jeff.
»Dem achtzehnten. Am gleichen Tag, an dem es bei Ihnen passierte, aber um Viertel nach eins.«
»Neun Minuten später.« Er grinste. »Sie haben die Zukunft gesehen. Mehr davon als ich.«
Das entlockte ihr beinahe ein Lächeln. »Es waren öde neun Minuten. Abgesehen vom Sterben.«
»Wo waren Sie, als Sie aufwachten?«
»Im Freizeitraum im Haus meiner Eltern. Der Fernseher lief, eine Wiederholung von My Little Margie. Ich war vierzehn.«
»Mein Gott, was haben Sie gemacht? Waren Ihre Eltern zu Hause?«
»Meine Mutter war Einkäufen. Mein Vater war noch arbeiten. Eine Stunde lang wanderte ich benommen durchs Haus, besah mir die Kleider in meinem Schrank, blätterte im Tagebuch, das ich verloren hatte, als ich aufs College ging, betrachtete mich im Spiegel. Ich konnte nicht aufhören zu weinen. Ich glaubte noch, ich sei tot und Gott ließe mich einen letzten Blick auf mein irdisches Leben werfen. Die Haustür versetzte mich in Angst und Schrecken - ich glaubte tatsächlich, wenn ich hindurchginge, würde ich im Himmel sein oder in der Hölle, oder im Fegefeuer oder wo auch immer.«
»Waren Sie katholisch?«
»Nein, mir schwirrte einfach der Kopf von all den vagen Bildern und Ängsten. Vergessen, das ist ein besseres Wort - das war es,
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