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Replay - Das zweite Spiel

Titel: Replay - Das zweite Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Grimwood
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… oder, auf niederer Ebene, ich konnte eine ganz andere Person werden als die, die ich gewesen war oder die ich meinte gewesen zu sein.
    Ich ging nach Columbia statt nach Bard, belegte Biologie als Hauptfach und studierte dann Medizin. Es war ein hartes Stück Arbeit. Ich hatte mir vorher nicht viel aus den Naturwissenschaften gemacht, meine ganze Ausbildung während des ersten Durchgangs beschränkte sich auf Kunst. Aber aus dem gleichen Grund machte es das viel interessanter, weil ich nicht mehr nur einfach wiederholte, was ich schon einmal gelernt hatte. Ich lernte ein vollkommen neues Gebiet kennen, eine neue Welt, passend zu meinem neuen Leben.
    Ich hatte nicht viel Zeit für mein Privatleben, aber während meiner Assistenzzeit am Columbia Presbyterium lernte ich einen jungen Orthopäden kennen, der … na ja, er erinnerte mich nicht unbedingt an meinen ersten Ehemann, aber er besaß eine ähnliche Intensität, die gleiche Art von Drive. Nur dass wir diesmal eine große Gemeinsamkeit hatten - wir interessierten uns beide für Medizin. Vorher hatte ich kaum gewusst, was mein Mann tagtäglich tat, und er hatte folglich angenommen, ich mache mir nichts daraus, deshalb redete er nicht mit mir über seine Anwaltstätigkeit. Mit David aber - so hieß der Orthopäde - war es das genaue Gegenteil. Wir konnten über alles sprechen.«
    Jeff schenkte ihr einen neugierigen Blick. »Sie meinen doch nicht…«
    »Nein, nein, ich habe ihm nie erzählt, was mir zugestoßen war. Er hätte mich für verrückt gehalten. Ich versuchte immer noch, es zu verdrängen. Ich wollte alle diese Erinnerungen begraben und so tun, als wären sie nie geschehen. David und ich heirateten, sobald ich meine Assistenzzeit beendet hatte. Er war aus Chicago, und wir zogen wieder dorthin. Er eröffnete eine Privatpraxis, und ich arbeitete auf der Intensivstation des Memorial Hospitals für Kinder. Nachdem ich meine eigenen Kinder unwiederbringlich verloren hatte - Sie wissen ja, wie das ist -, sperrte ich mich dagegen, noch eines zu bekommen, aber inzwischen hatte ich ein ganzes Krankenhaus voller Ersatzsöhne und -töchter, und die brauchten mich so nötig… Es war jedenfalls eine außergewöhnlich lohnende Karriere. Ich tat genau das, wovon ich als frustrierte Hausfrau in New Rochelle geträumt hatte. Benutzte meinen Verstand, bewirkte Positives in der Welt, rettete Leben …« Ihre Stimme verlor sich. Sie räusperte sich und schloss die Augen.
    »Und dann sind Sie gestorben«, sagte Jeff sanft.
    »Ja. Ich starb, zum zweiten Mal… Und war wieder nur vierzehn Jahre alt und total unfähig, auch nur einen Deut zu verändern.«
    Er wollte ihr sagen, wie gut er sie verstehe, dass er wisse, was ihr tiefster Schmerz gewesen war, nämlich dass die Kinder, die sie gepflegt hatte, dazu verurteilt gewesen waren, ihre Leiden neu zu durchleben, weil ihre Anstrengungen, ihnen zu helfen, zunichte gemacht worden waren; aber es waren keine Worte nötig. Der Schmerz stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben, und er war der einzige Mensch auf Erden, der die Tiefe ihres Verlusts nachempfinden konnte.
    »Warum machen wir nicht eine Pause«, schlug Jeff vor, »und gehen irgendwo einen Happen essen? Sie können mir den Rest Ihrer Geschichte nach dem Dinner erzählen.«
    »Einverstanden«, sagte sie, dankbar für die Unterbrechung. »Ich kann uns hier etwas machen.«
    »Das ist nicht nötig. Wir fahren einfach zu einem dieser kleinen Fischrestaurants, an denen wir auf dem Pacific Coast Highway vorbeigekommen sind.«
    »Kochen macht mir nichts aus, wirklich …«
    Jeff schüttelte den Kopf. »Ich bestehe darauf. Das Dinner übernehme ich.«
    »Also … dann werd ich mich wieder umziehen müssen.«
    »Jeans reichen. Ziehen Sie einfach ein paar Schuhe an, wenn Ihnen danach ist, förmlich auszugehen.«
    Zum ersten Mal, seit er sie kennen gelernt hatte, lächelte Pamela.
    Sie aßen an einem ruhigen Tisch auf einer Veranda mit Blick auf die Brandung. Als sie fertig waren und Kaffee mit Grand Marnier tranken, ging der Mond über dem Pazifik auf. Das Spiegelbild der weißen Scheibe in den großen Fenstern an der Rückseite des Restaurants schien mit der Schwärze des Ozeans zu verschmelzen.
    »Schauen Sie«, sagte Jeff und deutete auf die Sinnestäuschung. »Das sieht genauso aus wie …«
    »… das Poster für Starsea. Ich weiß. Was glauben Sie, wo ich die Idee für die Grafik her habe?«
    »Große Geister.« Jeff lächelte und hob das Likörglas und prostete ihr zu.

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