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Reptilia

Reptilia

Titel: Reptilia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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meinem Arm gerade so erreichen konnte. Die Zeit schien an den Statuen spurlos vorübergegangen zu sein. Mit einem mulmigen Gefühl im Magen griff ich ‘ der Skulptur direkt ins Maul. Die Zähne waren spitz und ritzten meine Haut, doch ich ließ mich davon nicht abschrecken. Dieser Raum verbarg eine Antwort, und ich musste sie finden, mochte es kosten, was es wollte.
    »Was tun Sie denn da?«, flüsterte Elieshi erschrocken, als sie das Blut sah, das an meinem Arm herablief. »Hören Sie sofort auf mit diesem Unsinn.«
    »So besorgt?«, fragte ich mit zusammengebissenen Zähnen. »Ich fühle mich geschmeichelt.« Ich stieß meinen Arm bis zum Ellenbogen in den Rachen hinein. Ein neuer Schmerz flammte auf. Diesmal waren die Wunden tiefer, das spürte ich. Es tat verflixt weh, doch ich wollte nicht aufgeben. Plötzlich hatte ich das Gefühl, etwas zu fassen zu bekommen. Es war das Zungenbein. Als ich mit meinen Fingerspitzen dagegen stieß, schien es sich zu bewegen.
    »Da ist etwas«, presste ich hervor. »Eine Art Griff. Mal sehen; ob ich ihn zu fassen bekomme.« Meinen ausgestreckten Fingern gelang es, den steinernen Hebel zu umklammern und daran zu ziehen. Erst erklang ein Knirschen, dann ein Rumpeln, dann begann sich ein Spalt in der Wand zu öffnen.
    »Das darf doch nicht wahr sein«, sagte Elieshi, »Sie haben es wirklich geschafft, Sie verrückter Kerl.«
    Doch plötzlich erstarb das Rumpeln, und der Spalt begann sich wieder zu schließen. Ich zog erneut, jedoch ohne Ergebnis.
    »Verdammt«, rief ich. »Ein Hebel allein reicht wohl nicht, es muss noch mehr Sperren geben. Versuchen Sie Ihr Glück bei der anderen Figur.«
    Doch Elieshi war zu klein, als dass sie ihren Arm in das Maul hätte stecken können. Egomo, der ihr Problem erkannte, half ihr, indem er sich auf alle viere herabließ und sie aufforderte, sich auf seinen Rücken zu stellen.
    »Ich kann nur hoffen, dass er mein Gewicht aushält«, sagte Elieshi, als sie vorsichtig auf seine Schulterblätter stieg. »Mir haben schon verschiedene Männer bescheinigt, dass ich schwerer bin, als ich aussehe.«
    Ich grinste. »Lassen Sie es doch darauf ankommen. Aber was immer Sie tun, tun Sie es schnell.«
    Vorsichtig verlagerte sie ihr Gewicht und suchte nach Halt. Die Muskeln des Pygmäen spannten sich unter seiner dunklen Haut. »Alles in Ordnung da unten?«, fragte sie besorgt.
    Egomo nickte. Er mochte zwar zart aussehen, doch er war ein verdammt zäher Bursche. Vorsichtig schob Elieshi ihre Hand in den Spalt.
    »Geben Sie Acht«, rief ich ihr zu, »die Zähne sind ziemlich spitz.«
    »Bei mir geht es besser«, antwortete sie. »Meine Handgelenke sind schmaler als Ihre. Einen Moment noch.«
    »Bitte beeilen Sie sich.« Der Schmerz in meinem Arm wich einem quälenden Pochen, das sich unangenehm auszubreiten begann. Ich wagte gar nicht daran zu denken, was die Zähne mit meinem Arm anstellten.
    »Ich hab den Hebel«, rief Elieshi. »Versuchen wir es gemeinsam. Eins … zwei … drei!«
    Ich zog. Wieder erklang das Rumpeln, doch diesmal war es wesentlich lauter. Der Spalt begann breiter und breiter zu werden. Wir hatten es geschafft! Schnell zog ich meine Hand aus dem Maul und begutachtete meinen Arm. Zu meiner Erleichterung stellte ich fest, dass die Verletzungen nur blutende Schürfungen waren.
    »Alles in Ordnung mit Ihnen?«, rief Elieshi, die Egomo auf die Füße half und dann zu mir eilte. »Was macht Ihr Arm? Lassen Sie mal sehen.«
    »Es ist nichts«, gestand ich ihr. »Ich habe wohl eine etwas überreizte Fantasie.« Ich blickte zu dem steinernen Reptil hinauf und sah mein Blut an seinen Zähnen.
    »Sie sollten nachher unbedingt ein Antiseptikum auftragen, damit sich die Wunden nicht entzünden.« In diesem Moment kamen die schweren Türflügel mit einem knirschenden Geräusch zum Stillstand.
    Das Tor zu den Mysterien des uralten Reiches hatte sich geöffnet.
    Ich hielt vor Verblüffung den Atem an. Mit allem hätte ich gerechnet, nur nicht mit dem Anblick, der sich uns bot. Eine Woge von Petroleumgeruch schlug uns entgegen. Blakende Flammen, die sich oberhalb eines steinernen Simses befanden, lieferten ein gedämpftes Licht. Eine schwärzliche Flüssigkeit tropfte an manchen Stellen zu Boden und färbte den Kalkstein dunkel. Sofort musste ich an den fleckigen Altarstein denken, und mir wurde leichter ums Herz. Des Rätsels Lösung hieß »Öl«.
    Die Flüssigkeit ergoss sich in einem schmalen Rinnsal aus einer steinernen Öffnung. Die Flammen züngelten

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