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Reptilia

Reptilia

Titel: Reptilia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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soll’s«, murmelte ich. »Wenigstens sind wir da unten vor der Feuchtigkeit geschützt.« Ich zog den Kopf ein und kletterte hinterher.
    In etwa zwei Meter Tiefe begann ein Gang, dessen Wände aus massivem Kalkstein bestanden und dicht mit Moosen und Flechten bewachsen waren. Schnurgerade und ohne Abzweigungen führte er in einem flachen Winkel hinab. Die Luft war stickig und feucht. Der Boden war glitschig, und mehr als einmal musste ich mich festhalten, um nicht auszurutschen. Nach etwa hundert Metern endete er und öffnete sich zu einem sechseckigen Raum, dessen Seiten aus dem groben Kalkfels herausgehauen worden waren. Ich interessierte mich zwar ein wenig für Archäologie, hatte aber noch nie von einer Kultur gelesen, die hexagonale Räume baute. Die Sache wurde immer mysteriöser. Das Licht unserer Lampen reichte gerade aus, um die gesamte Halle in ein schwaches Licht zu tauchen. In der Mitte befand sich ein Altarstein, der, genau wie der Raum selbst, eine sechseckige Form aufwies. In seine Oberseite war eine flache steinerne Schale eingelassen, die sich im Laufe der Jahrhunderte schwarz gefärbt hatte. Auch an den Seiten des Sockels waren schwärzliche Flecken, die den hellen Kalkstein verunstalteten und dem Altar den beunruhigenden Charakter eines Opfersteins verliehen. Ich blickte mich um. Es gab keine weiteren Gänge oder Abzweigungen. Der Raum war eine Sackgasse. Plötzlich hörte ich ein erschrecktes Keuchen. Es stammte von Egomo. Er hatte sich in den hintersten Teil der Kammer vorgetastet und deutete auf zwei Steinstatuen, die dort seit Urzeiten Wache zu halten schienen. Beim Näherkommen verstand ich seine Erregung. Es handelte sich um die Ebenbilder des Ungeheuers aus dem See. Die Mäuler der fratzenhaften Gesichter waren weit geöffnet und entblößten Reihen spitzer, scharfkantiger Zähne. Ihre Augen blickten uns an, als missbilligten sie unser Eindringen. Mit starrem Blick verfolgten sie jede unserer Bewegungen, während wir uns weiter umsahen.
    Die Decke wurde von zwei mächtigen Steinsäulen getragen, die sich oben strahlenförmig auffächerten und ein kompliziertes Muster von Bögen bildeten. Die Konstruktion war uralt. Obwohl anzunehmen war, dass die Baumeister sie mit primitiven Mitteln aus dem Kalkstein getrieben hatten, war sie von geradezu überirdischer Schönheit.
    Plötzlich verstand ich, warum die Soldaten so viel Wirbel um diesen Ort gemacht hatten. Der Fund war eine Sensation. Das steinerne Zeugnis einer untergegangenen Kultur. Ich zweifelte keine Sekunde daran, dass sich dieser Ort in die legendäre Reihe der bedeutenden Bauwerke der antiken Welt einreihen würde. Die Gefahr, dass sich konkurrierende Mächte um diesen Fund rissen und ihre Rechte daran geltend machen wollten, war groß.
    »Du liebe Güte, was haben wir denn hier entdeckt?«, murmelte Elieshi, während sie den Raum mit ehrfurchtsvollem Blick abschritt. »Sieht fast aus wie ein Heiligtum für Mokéle.«
    »Ein Ort, um einem Gott zu huldigen und ihn anzubeten«, ergänzte ich.
    »So wie die Figuren aussehen, war es ein Furcht erregender Gott«, gab Elieshi zu bedenken.
    »Wundert Sie das?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Sehen Sie sich nur diese Zähne und die schrecklichen Augen an.«
    »Dieser Ort ist eine Sensation«, flüsterte ich, um die Stille dieser heiligen Halle nicht mit profanen Worten zu entweihen. Elieshi ließ ihre Finger über die Statue gleiten. »Unglaublich. Ich bin zwar in diesem Land aufgewachsen, aber über die Kultur, die das geschaffen hat, ist mir nichts bekannt. Weder wie alt sie ist noch warum sie aufgehört hat zu existieren. Es gibt keinerlei Aufzeichnungen darüber, nirgendwo.«
    »Leider hilft uns das momentan nicht weiter«, sagte ich ungeduldig. »Wir müssen etwas über die vier Leichen da draußen erfahren und darüber, wer sie beerdigt hat.«
    »Gute Idee«, stimmte sie zu. »Sehen wir uns den Boden genauer an. Sehen Sie nur – hier gibt es Spuren.«
    Allein Egomo konnte uns aufklären.
    Der Pygmäe nickte, als Elieshi ihn darauf hinwies. Seine Antwort fiel wie gewohnt knapp aus. Wieder schien er irgendetwas an dem auszusetzen haben, was wir hier taten. Aber so langsam gewöhnte ich mich an seine schroffe Art. Elieshi übersetzte seine Antwort mit einem schiefen Grinsen. »Er fragt, warum wir ihm das nicht früher gesagt haben. Er sagt, wir hätten schon viele Spuren zerstört. Wenn Sie möchten, kann ich Ihnen noch eine Liste der Schimpfwörter nennen, mit denen er uns bedacht

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