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Reptilia

Reptilia

Titel: Reptilia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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so fantasievoll sie auch anmuteten, ein Detail war ihnen allen gemeinsam. Ein Detail, das einen klaren Bezug zur Realität darstellte. »Sehen Sie sich das mal an«, flüsterte ich und lenkte ihren Blick auf eine bestimmte Einzelheit. Der untere Teil des Reliefs schien einen in sich geschlossenen subterranen Kosmos darzustellen. Eine Art Unterwelt.
    Elieshi fuhr die Konturen mit ihren Fingerspitzen nach. »Kongosaurier«, flüsterte sie. »Hunderte von Kongosauriern.«
    Ich beobachtete, wie ihr Finger über die Formen dickleibiger Riesenechsen glitt, die sich umeinander schlängelten. Manche hielten gewellte Stäbe in ihren Klauen, andere Gegenstände, die tragbaren Fernsehern oder Truhen ähnelten. Oder waren es Bücher? Die Sache wurde immer mysteriöser.
    »Einige scheinen das Gewölbe über sich zu stützen«, unterbrach Elieshi das Schweigen. »Es hat fast den Anschein, als würden sie die gesamte obere Bildhälfte tragen. Wäre ich Kunsthistoriker, würde ich sagen, dass auf ihren Schultern das gesamte Fundament unser eigenen Welt ruht. Ohne sie würde alles zusammenstürzen.«
    Ich nickte. »Eine ziemlich direkte Symbolik, finden Sie nicht? Und sehen Sie sich das hier an. Eine Reihe von Bahren, auf denen kranke oder sterbende Menschen liegen und die durch die Berührung der Tiere wieder geheilt werden. Sind das Tränen, die ihnen da aus den Augen strömen?«
    »Sie weinen über das Leid der Menschheit.« Elieshi wirkte ergriffen, als sie fortfuhr, mit ihren Fingern über das Relief zu streichen.
    Ich atmete tief durch. »Dann waren wir die ganze Zeit auf der falschen Fährte. Die Menschen haben sich nicht trotz dieser Wesen hier angesiedelt, sondern wegen ihnen. Sie haben sie geliebt und verehrt. Sie haben sie vergöttert. Wenn das kein Zeichen für ihre Friedfertigkeit ist, weiß ich auch nicht weiter.«
    »Dann dienten die Statuen wohl nur dazu, ungebetene Gäste fern zu halten«, sagte Elieshi. »Als Abschreckung für die Ungläubigen. Trotzdem«, sie schüttelte den Kopf, »so ganz verstehe ich es immer noch nicht.«
    »Was meinen Sie?«
    Sie breitete ihre Arme aus. »Das alles hier. Dieses gewaltige Mysterium. Fragen über Fragen türmen sich hier auf. Was waren das für Menschen, die diese Hallen erbaut haben, warum sind sie verschwunden, was hat diese Kultur ausgelöscht? Aber vor allem, wer hat diese Ölflammen entzündet? Denn Sie wollen mir doch wohl nicht erzählen, dass sie seit Tausenden von Jahren ungestört brennen.«
    »Es ist genau diese praktisch orientierte Denkweise, die ich an Ihnen so schätze«, sagte ich mit einem Augenzwinkern. »Ehe wir nicht herausgefunden haben, wer sich hier unten aufhält, sollten wir sämtliche kunsthistorischen Betrachtungen zurückstellen – so schwer das auch fallen mag.«
    Sie zwinkerte mir zu. »Sie entwickeln sich noch zu einem richtigen Abenteurer. Welch ein Unterschied zu dem Burschen, den ich vor einer Woche kennen gelernt habe.«
    »Nun übertreiben Sie mal nicht«, wiegelte ich ab, obwohl ich mich über ihr Kompliment freute. »Ich habe eine Scheißangst, wenn ich daran denke, was uns da unten erwartet. Und je länger wir hier stehen, desto schlimmer wird es. Also, bringen wir es hinter uns.«
    Wir gingen weiter, aber diesmal waren wir zielstrebiger und hielten uns nicht mit Nebensächlichkeiten auf.
    Wir erreichten das Ziel schneller als vermutet. Wahrscheinlich hing das mit den Lampen zusammen, deren goldener Schimmer den Raum größer aussehen ließ, als er in Wirklichkeit war. Jedenfalls machte der Gang nach etwa fünfzig Metern einen scharfen Knick und mündete in einen zweiten Raum, der in Form und Größe der Eingangshalle sehr ähnlich war.
    Ich stieß einen Schrei der Überraschung aus. Dieser Raum war nicht leer geräumt so wie die Eingangshalle, er war aber auch nicht gefüllt mit Truhen, Sarkophagen oder sonstigen Heiligtümern, wie man sie in ägyptischen Tempeln gefunden hätte. Es war ein modern eingerichtetes Labor. Ich sah Klappstühle und einen Tisch, auf dem Geräte standen, die den unseren in nichts nachstanden. Genau genommen war es ein exaktes Ebenbild unseres eigenen Labors am Lac Télé. Skizzen und Diagramme bedeckten die Wände. Ein kleiner Dieselgenerator stand dort, der die technischen Apparate und Halogenlampen mit Strom versorgt hatte. Doch entweder war ihm der Sprit ausgegangen oder man hatte ihn abgeschaltet. Jetzt wurde das Labor nur noch vom flackernden Licht der Öllampen beleuchtet.
    Ich musste ein paarmal kräftig

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