Reptilia
Haut transparent erscheinen. »Haben Sie Angst, ich könnte einem Rassenwahn verfallen und der Vorstellung von einem Übermenschen, wie einst die Nazis?«
Ich wusste nicht, ob ich die Frage verneinen oder bejahen sollte, also hielt ich lieber den Mund.
»Ich kann Sie beruhigen. Nichts liegt mir ferner als der Wunsch, mich als Schöpfer aufzuspielen. Ich will keine Klone, Superkrieger und ähnliche Monstrositäten herstellen. Es mag solche Bestrebungen an anderen Instituten geben, bei uns finden Sie so etwas nicht. Alles, was wir tun, ist solide Grundlagenforschung, um einen Weg zu finden, der dem homo sapiens ein langfristiges Überleben sichert.«
»Wieso sollte das nicht ohne Mithilfe der Genforschung gelingen?«, schaltete sich Maloney ein, der in der vergangenen Viertelstunde auffallend ruhig gewesen war.
Lady Palmbridge richtete sich auf. »Dass der Mensch die Schuld an seinem drohenden Untergang selbst tragen wird, ist eine vielfach geäußerte Hypothese. Die Szenarien reichen von Kriegen über Umweltkatastrophen bis hin zu einer schleichenden Vergiftung des eigenen Körpers. Mag sein, dass daran etwas Wahres ist, aber ich bin ein unverbesserlicher Optimist. Der Mensch ist enorm erfinderisch, wenn es ihm an den Kragen geht, und wird für diese Probleme eine Lösung finden. Nein, ich rede von etwas, das die Wissenschaft seit langer Zeit bedrückt. Von dem selbst geschaffenen Fluch, der sich Medizin nennt. Es mag absurd klingen, aber die Fähigkeit, Leiden und Gebrechen heilen zu können, schwächt das Erbgut langfristig. Und zwar auf eine derart fatale Weise, dass dies in ein paar hundert oder tausend Jahren zum Aussterben der Menschheit führen wird.«
Maloney richtete sich auf. »Bei allem Respekt, Mylady, aber das verstehe ich nicht. Wie kommen Sie zu diesen Schlüssen?«
»Was ich eben gesagt habe, ist unter nüchternen, wissenschaftlich denkenden Menschen eine allgemein anerkannte Tatsache, die nur deshalb nicht laut ausgesprochen wird, weil sie unserer Philosophie von einem humanen Leben, von einem Leben voller Gnade und Mitleid, diametral entgegensteht«, sagte Lady Palmbridge. »Nehmen Sie zum Beispiel das Phänomen der angeborenen Sehschwäche. Vor zehntausend Jahren, in der Altsteinzeit, hätte eine Sehschwäche, wie sie durch Mutation des Erbguts immer wieder auftritt, zu einem frühen Tod des betreffenden Individuums geführt. Der arme Kerl hätte schlichtweg nichts getroffen, hätte sich demnach auch kaum paaren und vermehren können. Endstation für das defekte Gen. Heute ist eine Augenbehandlung kein Problem mehr, mit dem Effekt, dass die Information ›Sehschwäche‹ an die nächste Generation weitergegeben wird. Ein anderes Beispiel ist die angeborene Zuckerkrankheit. Diabetes mellitus Typ-1. Nicht zu verwechseln mit Typ-2, die sich durch Fehlernährung entwickelt. Ich rede von der vererbten Zuckerkrankheit. Sie ist heute ohne Probleme mit der Einnahme von Insulin zu behandeln, mit dem Effekt, dass der Prozentsatz der Kranken sich in den letzten Jahren verdreifacht hat. Oder nehmen Sie die steigende Zahl angeborener Herzfehler. Die Liste ließe sich endlos fortsetzen.«
»Und?«
»Dasselbe Prinzip schwächt auch unser Immunsystem. Viren und Bakterien gab es schon immer. Diejenigen, die dagegen immun waren, überlebten und gaben die wichtige Information in ihrem Erbgut an die Kinder weiter. Heute ist das anders. Heute gibt es Impfstoffe, Seren und Antibiotika, die das Leben eines Individuums schützen. Es überlebt, vermehrt sich, gibt seine fehlerhaften Erbinformationen an die nächste Generation weiter, und das Karussell dreht sich weiter. Ein Teufelskreis. Und jetzt denken Sie an die Meldungen in den Zeitungen, die uns seit einigen Jahren beschäftigen. Kein Tag, an dem nicht ein neues Virus entdeckt wird, das den Menschen bedroht. Kaum ein Tag, an dem wir nicht von Aids, Ebola, S.A.R.S. oder Grippeepidemien lesen, Krankheiten, gegen die die moderne Medizin machtlos scheint. Wussten Sie, dass die Grippe, diese harmlose kleine Erkältung, eine Krankheit ist, der jährlich über eine Million Menschen zum Opfer fallen? Die dafür verantwortlich ist, dass jedes Jahr 200000 missgebildete Kinder auf die Welt kommen? Die Grippeepidemie von 1918 raffte ein Fünfzigstel der Weltbevölkerung dahin und war damit schlimmer als jede andere Seuche, die jemals über den Erdball fegte.«
»Großer Gott, das war mir nicht bewusst«, murmelte Maloney. Wahrscheinlich behagte es ihm nicht, von einem
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