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Reptilia

Reptilia

Titel: Reptilia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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keine Entschuldigung, nichts. Au revoir. Ich war so verblüfft ob der Schnelligkeit, mit der auf einmal alles vor sich gegangen war, dass ich nicht mal mehr die Frage stellen konnte, was zur Hölle denn nun eigentlich mit meiner Cholera-Impfung war. Aber dazu blieb keine Zeit. Die Frau drängte mich aus dem Zimmer, und ehe ich mich versah, befand ich mich bereits an Bord eines brandneuen Renault Mégane und auf dem Weg nach Brazzaville.

14
    » Idioten«, murmelte die Frau neben mir, während sie mit halsbrecherischem Tempo über die schlecht asphaltierte Straße Richtung Stadtzentrum bretterte. »Hirnverbrannte Idioten.«
    »Wen meinen Sie?«
    Sie warf mir einen kurzen Blick aus den Augenwinkeln zu, dann konzentrierte sie sich wieder auf das Verkehrschaos vor uns. »Diese verdammten Militärs«, entgegnete sie und setzte trotz des Gegenverkehrs zu einem Überholmanöver an. »Die tun, was sie wollen. Irgendwann werden sie hier den ganzen Laden übernehmen. Sie wussten seit Tagen von Ihrer Ankunft.« Sie schlug mit der Hand auf das Lenkrad. »Ich haben ihnen alle Unterlagen persönlich vorgelegt, einschließlich Ihres Passbilds. Sie wussten, wie Sie heißen, sie wussten, wie Sie aussehen, und sie wussten, wann Sie eintreffen. Es kann also kaum ein Zufall gewesen sein, dass man ausgerechnet Sie herausgefischt hat. Was wollten sie überhaupt?«
    »Sie haben behauptet, mein Impfschutz wäre nicht in Ordnung. Ich hätte keinen Choleraschutz – was ja auch stimmt. Aber ich dachte …«
    »Cholera, hm? Da hat man Sie reingelegt. Es gibt zurzeit keine Fälle von Cholera im Kongo.«
    »Das habe ich ihnen auch gesagt, aber sie haben sich stur gestellt und behaupteten, sie müssten mich zurückschicken, wenn ich mich nicht sofort impfen ließe.« Ich schüttelte den Kopf. »Wenn es hier keine Cholera gibt, was sollte dann die Aktion?«
    Aus der Art, wie sie mich ansah, schloss ich, dass sie mich in diesem Moment für ein Wesen von einem anderen Stern hielt. »Es ging natürlich um Geld. Irgendwie haben sie trotz unserer Geheimhaltung erfahren, dass Sie ein Mitglied der Expedition sind. Sie dachten wohl, sie könnten einen Teil unserer Gelder in die eigenen Taschen abzweigen. Wäre ich nicht zur Stelle gewesen, man hätte Ihnen alles abgeknöpft, was Sie besitzen. Man hätte Sie ausgezogen bis aufs Hemd, wie man so schön sagt.« Sie zwinkerte mir zu. »Wäre sicher ein netter Anblick gewesen. Übrigens, nennen Sie mich Elieshi. Ich arbeite an der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Brazzaville«, fügte sie hinzu und reichte mir ihre Hand. Dabei unterbrach sie nicht für eine Sekunde ihren kriminellen Fahrstil.
    »David«, entgegnete ich mit einem besorgten Blick nach vorn. Zum wiederholten Mal versuchte ich den Gedanken abzuschütteln, was wohl geschehen würde, wenn eines der entgegenkommenden Autos ausnahmsweise nicht ausweichen würde.
    Doch der Adrenalinschub machte meinen umnebelten Verstand schlagartig wieder klar. Was war ich doch für ein vergesslicher Dummkopf. »Großer Gott, bitte entschuldigen Sie meine Unaufmerksamkeit«, sagte ich. »Sie sind die Biologin, die uns in den Norden begleiten wird, nicht wahr?« Ich hoffte, Sie merkte nicht, wie peinlich es mir war, dass ich sie im ersten Moment nicht erkannt hatte.
    »So ist es. Freut Sie das?«
    »Nun ich … äh.« Ich fühlte mich ertappt. »Schon … ja. Ich dachte zuerst, Sie wären nur irgendeine Institutsangestellte.«
    Mein Gott, wie sich das anhören musste. Ich stammelte herum wie ein Teenager.
    »Klingt nicht sehr überzeugend«, sagte sie in gespieltem Ernst. »Gefällt Ihnen etwas nicht an mir?« Sie blickte mich herausfordernd an.
    »Nein … ja. Wie war noch mal die Frage?« Ich spürte, wie mir die Schamesröte ins Gesicht stieg. Sie lachte. Es machte ihr offensichtlich einen Heidenspaß, mich in Verlegenheit zu bringen, aber ich konnte nicht entsprechend locker darauf reagieren. Lag das an meiner Müdigkeit, ihrer dunklen Hautfarbe oder an ihrer ganz und gar extrovertierten Art?
    »Ich habe gehört, Sie arbeiten am Lehrstuhl für strukturelle Biologie. Was genau machen Sie da?«, fragte sie, während sie sich zwischen zwei Laster quetschte.
    »Ich untersuche Proteine, die mittels intrazellulärer Signalwege das Zellwachstum und die Zelldifferenzierung bei gesundem Gewebe steuern, und wie diese Prozesse bei Deregulation an der Krebsentstehung beteiligt sind. Außerdem befasse ich mich mit Reaktionsabläufen einzelner Proteine und

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