Reptilia
Es ist von äußerster Wichtigkeit …«, fügte ich hinzu, in vollem Bewusstsein, wie jämmerlich meine Argumente klingen mussten.
Überraschenderweise schien er genau auf dieses Stichwort gewartet zu haben. »Nun …«, setzte er an und strich mit seinen Händen über die Resopalplatte, als ob er ein imaginäres Tischtuch glättete. »Es gibt eine Möglichkeit. Aber es ist nicht legal, verstehen Sie? Ich müsste einiges in Bewegung setzen, um das für Sie zu arrangieren und würde dabei meinen Kopf riskieren. Aber wie gesagt, machbar wäre es schon.« Er schenkte mir ein gequältes Lächeln, und ich ahnte, worauf dieses Gespräch hinauslief. Ich wollte gerade ansetzen, ihn nach dem Preis für seine Dienste zu fragen, als das Telefon klingelte. Er hob ab, und ich merkte an seinem Gesichtsausdruck und den finsteren Blicken, die er mir zuwarf, dass der Anruf etwas mit mir zu tun haben musste. Es schien ihm nicht zu gefallen, was er hörte. Das wiederum konnte nur Gutes bedeuten.
Er legte auf und richtete einige Worte an seinen bulligen Kollegen, der darauf hin das Zimmer verließ. Als er sich mir zuwandte, überzog wieder ein Lächeln sein Gesicht, doch diesmal wirkte es betont freundlich. Er zündete sich eine Zigarette an und hielt mir die Schachtel hin.
»Möchten Sie?«
Ich schüttelte den Kopf.
Der Mann nahm einen tiefen Zug und begann dann, mit warmer, freundlicher Stimme zu sprechen: »Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Josephe Manou, Leiter des Sicherheitsdienstes«, er tippte auf sein Schulterabzeichen. »Mr. Astbury, verzeihen Sie die Unannehmlichkeiten, aber die Sicherheitsbestimmungen sind zu unser aller Schutz. Wir sind das Land in Äquatorialafrika mit den härtesten Einreisebestimmungen, und das aus gutem Grund.« Er nahm einen weiteren Zug. »Sehen Sie, jährlich sterben viele tausend Menschen an den Folgen von Vireninfektionen. Wir dürfen daher mit unseren Vorsichtsmaßnahmen nicht nachlässig sein und müssen jeden zurückweisen, der nicht über den nötigen Impfschutz verfügt.« Er stand auf und begann im Zimmer auf und ab zu gehen. »Und als ob das nicht schon genug wäre, haben wir auch noch Probleme mit der inneren Sicherheit. Seit jeher schon stehen wir im Zentrum des Interesses internationaler terroristischer Vereinigungen, doch seit dem 11. September 2001 hat sich die Lage beträchtlich verschärft. Sie haben die Wachmannschaften sicherlich bemerkt.« Er klopfte mit der Hand gegen eine Fotowand, auf der die Köpfe der meistgesuchten Terroristen zu sehen waren. »Wir sind hier alle sehr angespannt, das werden Sie sicher verstehen. Verzeihen Sie, wenn Mandegu vorhin etwas grob vorgegangen ist. Tja, und was Sie betrifft …«, er setzte sich wieder und blätterte noch einmal in meinem Pass herum, als wäre es ein Buch, in dem aufregende Dinge zu lesen waren, »… Sie haben Besuch.« Er schlug den Pass zu und schob ihn mir wieder hin.
Von wem, wollte ich fragen, aber da öffnete sich schon die Tür, und der Mann, den der Leiter des Sicherheitsdienstes als Mandegu bezeichnet hatte, trat ein. In Begleitung einer jungen schwarzen Frau. Sie trug Bluejeans und ein T-Shirt, auf dem das verwüstete Gesicht des Rocksängers Iggy Pop zu sehen war. Ihr Haar war zu vielen kleinen Zöpfen geflochten, und ihr Gesicht war schmal und von außerordentlicher Schönheit. Die Frau wirkte zunächst verschüchtert und ängstlich, doch ich erkannte schnell, dass das eine Fehleinschätzung war. Als sie den Mund öffnete, ging ein Wortgewitter über dem Sicherheitsleiter nieder, dass diesem Hören und Sehen verging. Während sie auf ihn einschimpfte, fuchtelte sie ihm mit einem Dokument vor der Nase herum. Zwar verstand ich kein Wort, aber ihre Gestik und Mimik deuteten an, dass sie über meine Behandlung äußerst verstimmt war. Josephe Manou hob abwehrend die Hände und versuchte sich zu rechtfertigen, aber gegen die resolute Frau hatte er keine Chance. Er entriss ihren Fingern das Dokument, überflog es, stempelte es ab und gab es ihr zurück, den Durchschlag behielt er für sich.
»Mr. Astbury, darf ich Ihnen Mademoiselle n’Garong vorstellen? Sie kommt im Auftrag der Universität und wird sich von nun an um Sie kümmern.« Damit warf er mir einen amüsierten Blick zu. »Hiermit entlasse ich Sie aus unserer Obhut und wünsche Ihnen noch einen schönen Aufenthalt in unserem herrlichen Land.« Er streckte mir seine Hand entgegen. »Au revoir, Monsieur.«
Das war alles. Keine Erklärung,
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