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Reptilia

Reptilia

Titel: Reptilia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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richtigen Equipment lassen sich die Laute hörbar machen, aufzeichnen und sogar optisch darstellen. Eine revolutionäre neue Technik. Ist natürlich ein Haufen Elektronik, den man da mit sich rumschleppt, besonders die Batterien der ARU’s , der Auto Recording Units , sind schwer, aber dafür funktioniert das System dann auch über einen Monat lang. Können Sie mir so weit folgen, Professor?«
    »Wieso nennen Sie mich eigentlich immer Professor?«
    Sie schnalzte mit der Zunge, blieb die Antwort aber schuldig. Ich starrte aus dem Fenster. Draußen zogen die ersten Slums vorbei, Vorboten der Stadt. Mir war ein Gedanke gekommen, der mich beunruhigte. Ich begann zu begreifen, warum man Elieshi engagiert hatte. Wenn man die Laute von Elefanten aufzeichnen und verfolgen konnte, gelang das vielleicht auch mit Tönen, die der Kongosaurier von sich gab. Die Frage war nur: Wusste sie, wonach wir suchten? War sie sich der Gefahr bewusst, in die wir uns begaben?
    »Na, Professor, wo drückt der Schuh?« Sie warf mir wieder einen dieser Blicke zu.
    »Danke, alles bestens.«
    »Ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht übel, wenn ich das sage, aber Sie wirken so … so englisch.«
    »Englisch?«
    »Genau. So zugeknöpft. Als hätten Sie ein Lineal verschluckt. Haben Sie eine Freundin?«
    Die Frage kam so unvermutet, dass ich schon wieder sprachlos war. »Ich … nein. Ja … doch. Aber nicht direkt.«
    »Also was denn nun? Man weiß doch, ob man eine hat oder nicht. So schwer kann doch eine solche Frage selbst für einen Engländer nicht sein.«
    Ich seufzte. Die Situation entsprach nicht dem, was ich erwartet hatte. Dieses Versteckspiel gefiel mir nicht. Außerdem nervte mich Elieshis Art, mich immer wieder als Tölpel zu entlarven.
    »Doch, ist sie«, sagte ich. »Es ist eine komplizierte Geschichte, und ich habe keine Lust, jetzt darüber zu reden. Es war eine kurze Nacht und ein langer Flug. Zehn Stunden lang habe ich in einer Sardinendose gesessen, mit so einem beschissenen Nackenkissen um den Hals. Ich bin müde und möchte einfach nur etwas Ruhe haben.«
    »Okay, okay, ich sag ja nichts mehr.« Sie hob beide Hände in einer Geste der Entschuldigung vom Lenkrad. Ich zuckte schon wieder zusammen angesichts des Lkws, der sich von vorn näherte.
    »Könnten Sie bitte …«, ich wischte mir den Schweiß von der Stirn, als Elieshi zwischen zwei dicht aufeinander fahrenden Autos einscherte, »… ein wenig langsamer fahren? Ihr Fahrstil ist wirklich gewöhnungsbedürftig. Wenn Sie nicht möchten, dass ich mich in Ihrem Auto übergebe …« Ich ließ den Satz unvollendet.
    »Ist nicht mein Auto«, erwiderte sie knapp. »Ist Regierungseigentum. Die wären sicher nicht begeistert, wenn sie ein dreckiges Auto zurückbekommen. Das würde eine Menge Papierkram nach sich ziehen.«
    Zu meiner Erleichterung drosselte Elieshi das Tempo.
    Der Rest der Fahrt verlief in völligem Schweigen. Ich hatte mich zurückgelehnt und war mit meinen Gedanken bei Sarah, während draußen die Baracken der Slums vorbeizogen. Die letzte Nacht war wundervoll gewesen. Zärtlich und leidenschaftlich. Welch ein Kontrast zum heutigen Tag. Wehmütig blickte ich nach draußen.
    Je mehr wir uns dem Stadtkern näherten, desto mehr wuchsen unansehnliche Betonblöcke aus dem Boden, die den Charme der frühen Siebzigerjahre versprühten. Flott hochgezogen, waren den Bauherren unterwegs die Gelder ausgegangen, so dass fast alle Gebäude unvollendet waren. Manchen fehlte sogar die Verglasung, was viele Händler aber nicht davon abhielt, sich in diesen Etagen niederzulassen. So etwas wie Sicherheitsvorschriften schien es hier nicht zu geben, und so sah man Menschen, die heftig miteinander verhandelten, während es neben ihnen zwanzig Meter in die Tiefe ging. Aber wäre tatsächlich mal einer abgestürzt, er wäre weich gefallen. Die Straßen waren mit Fußgängern derart übervölkert, dass es keinen Handbreit freien Boden gab. Händler, Passanten, Geschäftsleute und Bettler tummelten sich zwischen den Autos, Mopeds und Fahrrädern und brachten den Verkehr fast völlig zum Erliegen. Obstverkäufer priesen Mangos, Papayas und Ananas an, die, zu abenteuerlichen Pyramiden gestapelt, auf wackeligen Holzkarren lagen.
    »Rushhour, nicht wahr?«, bemerkte ich in Elieshis Richtung, die gerade dabei war, einen fahrenden Händler gewaltsam zur Seite zu schieben, der uns Tageszeitungen anzudrehen versuchte. Überhaupt schien mir, als sei besonders unser Auto zum begehrten Ziel von

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