Reptilia
trug. »Was ist das denn?«, fragte ich scherzhaft. »Heute ausnahmsweise mal nicht barfuß?«
»Auf Reisen nie. Aber sobald ich irgendwo ankomme und wieder festen Boden unter den Füßen spüre …«, er machte eine Bewegung, als würde er seine Schuhe in hohem Bogen wegwerfen.
»Haben Sie keine Angst vor Schlangen und ähnlichem Getier?«
Er winkte ab. »Kein Problem. Australien ist voll davon, und ich habe von klein auf gelernt, damit umzugehen. Ich lasse sie in Frieden und sie mich, so einfach ist das. Und wenn doch mal etwas passiert …«, er machte eine Geste, als ob er sich eine Injektion in den Arm setzte. Mir fiel auf, dass Sixpence in erster Linie mit den Händen sprach. Sie waren dauernd in Bewegung, kommentierten oder unterstrichen das Gesagte oder erzählten eine ganz eigenständige Geschichte. Als wir über den Parkplatz gingen, sah ich mich überrascht um. » Nanu, wo sind denn die anderen, und wo ist unser Auto?«
»Schon unten am Fluss. Stewart wollte Elieshi beim Verstauen der letzten Geräte zur Hand gehen. Was diese Frau alles angeschleppt hat«, er schüttelte den Kopf. »Einen Geigerzähler und viele andere Geräte, die aussehen, als wären sie schwierig zu bedienen. Haben Sie eine Ahnung, was das soll? Seltsam. Wie auch immer. Auf uns wartet ein Taxi draußen vor dem Tor.« Er blinzelte mich schelmisch an. »Was halten Sie von ihr?«
»Von Elieshi? Tja also …«
» Sie können sie nicht leiden, oder?«
»Ist das so offensichtlich?« Ich hob entwaffnend die Hände. »Okay, okay, ich gebe es zu, wir mögen uns nicht besonders, aber das beruht auf Gegenseitigkeit. Die Frau ist mir einfach eine Nummer zu angriffslustig.«
»Ziemlich burschikos, das muss ich zugeben«, sagte Sixpence, während wir das Universitätsgelände verließen und auf das wartende Taxi zugingen. »Außerdem habe ich das Gefühl, dass sie sich für Stewart interessiert.« Der Fahrer des Taxis stieg aus, als er uns sah, nahm mir meine Tasche ab und öffnete uns die Türen. »Hafen, Dock 18.« Sixpence drückte dem Fahrer einen Geldschein in die Hand.
»Mir kam es eher so vor, als würde er sich für sie interessieren«, sagte ich, als ich mich auf die Rückbank des winzigen Nissan Micra quetschte. Sixpence schüttelte entschieden den Kopf. »Da täuschen Sie sich.«
»Wie können Sie da so sicher sein?«
»Weil ich ihn kenne. Mademoiselle n’Garong wird bei ihm auf Granit beißen.«
»Wieso denn? Ich meine, auch wenn ich Elieshi nicht besonders mag, so ist sie doch immerhin eine attraktive Frau. Und wenn eine Frau sich in den Kopf gesetzt hat, einen Mann herumzukriegen, schafft sie es meistens auch.«
»Mag sein, aber Stewart ist anders.«
»Er wird doch nicht schwul sein …?«
Sixpence sah mich an, als verstünde er nicht, wovon ich spreche, und schüttelte dann den Kopf. »Nein. Es ist etwas geschehen. Etwas, das weit zurückliegt. Eine schlimme Sache. Damals hat er geschworen, sich nie wieder auf eine Frau einzulassen. Und Schwüre sind ihm heilig.«
Aus einer Eingebung heraus fragte ich: »Hat das etwas mit den Narben auf seinen Armen zu tun? Sie sehen aus wie rituelle Ritzungen.«
Er wich meinem Blick aus.
»Wollen Sie es mir nicht erzählen?«
»Das steht mir nicht zu«, schüttelte er den Kopf. »Aber vielleicht erzählt Stewart es Ihnen eines Tages selbst. Er scheint Sie ins Herz geschlossen zu haben.«
Ich blickte ihn verwundert an. »Den Eindruck hatte ich bislang nicht. Mir kam es eher so vor, als könne er mich nicht leiden.«
»Ich kenne ihn besser«, widersprach Sixpence. »Er ist ein Mann, der von Haus aus abweisend wirkt. Stewart kann seine Gefühle nicht zeigen, aber es ist, wie ich sage. Er respektiert Sie, weil Sie Ihre schützende Heimat verlassen haben und sich dem Abenteuer stellen. Sie hätten den Auftrag genauso gut ablehnen können. Aber Sie haben etwas gewagt, und das rechnet er Ihnen hoch an.«
*
Etwa zehn Minuten später erreichten wir die hinteren Docks. Ich war so in Gedanken versunken, dass ich erst jetzt bemerkte, dass es in diesem Teil des Hafens kaum noch Schiffe gab. Ich konnte nur ein paar Fischer ausmachen, die hier anlegten, um die Ausbeute ihrer nächtlichen Fahrt an Land zu bringen. Abgesehen von ihren winzigen Auslegerbooten wirkte der Kai so gut wie ausgestorben.
»Wo ist denn unser Schiff? Ich hoffe, Sie haben nicht vor, den Kongo mit diesen kleinen Nussschalen zu befahren.«
Mein Begleiter hob überrascht die Augenbrauen. »Schiff? Was reden Sie
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