Reptilia
Propeller verschwamm zu einer durchsichtigen Scheibe. Das ganze Flugzeug begann zu vibrieren und setzte sich in Bewegung. Wir glitten hinaus auf den Fluss, der an dieser Stelle kaum Strömung hatte, und nahmen Fahrt auf.
Die Vibrationen verwandelten sich in Stöße und dann in handfeste Schläge, als das Flugzeug mit zunehmender Geschwindigkeit über das Wasser fegte. Eine Schleppe von Gischt hinter uns herziehend, steuerten wir auf die Mbamou-Insel zu.
Bald fiel mir auf, dass wir uns immer noch nicht in der Luft befanden. »Gibt’s Probleme?«, fragte ich.
»Die Kiste ist schwer wie ein Wal«, schnaufte Sixpence. »Ich bekomme sie kaum hoch. Verdammte Scheiße, wir haben viel zu viel geladen. Ich hab’s dir doch gesagt, Stewart.«
»Du hast mir gesagt, dass die Beaver das schaffen würde, das hast du gesagt. Jetzt sieh zu, wie du uns hochbekommst, da vorn sind Fischerboote.«
»Verdammt! Halten Sie mal kurz das Steuer, ich muss das Treibstoffgemisch verändern«, sagte Sixpence, während er abtauchte und mit ausgestrecktem Arm versuchte, an einen Regler zwischen seinen Füßen zu gelangen. Als er ihn fast erreicht hatte, machte das Flugzeug einen Hopser, und wir hoben uns ein wenig aus dem Wasser. Blitzschnell tauchte Sixpence wieder auf. Die Fischerboote waren jetzt sehr nahe. Er riss den Knüppel zu sich heran und dann, keine Sekunde zu früh, hoben wir uns aus dem Wasser.
Langsam zogen wir in den blauen Morgenhimmel hinauf, der mit rosa Wölkchen gesprenkelt war.
»Glück gehabt«, seufzte unser Pilot, und ich konnte die Erleichterung in seinen Augen sehen. »Noch mal gut gegangen. Fragt sich nur, ob uns ein solches Manöver auf dem Lac Télé auch gelingt.«
Jetzt, da wir uns in der Luft befanden, lief der Motor erstaunlich leise. Ich begann mich zu entspannen und blickte nach unten. In etwa dreihundert Metern Tiefe schipperte ein Dampfer in Richtung Hafen. Er zog einige Schleppkähne, die über und über mit Menschen bedeckt waren. Elieshi deutete nach unten und rief: »Da unten ist unsere Fähre. Sie kommt gerade von Impfondo zurück. Na, möchten Sie immer noch tauschen?«
Ich sah die vielen Menschen und schüttelte den Kopf. »Nein, Sie hatten vollkommen Recht. Fliegen hat schon seine Vorteile.«
Sie gab mir einen freundschaftlichen Klaps. »Guter Junge.«
Unter uns zogen die letzten Ausläufer der Stadt dahin und verloren sich zwischen Feldern und Plantagen. Wir schlugen einen nördlichen Kurs ein, der uns nach einer Weile über eine vielfach gefaltete Hügelregion führte. Aus den Hügeln wurden Berge, während die Zahl der Siedlungen immer weiter abnahm.
»Wie nennt sich dieses Gebiet dort unten?«, fragte Malcolm, das Gesicht an die Scheibe gepresst.
»Das ist die Région de Plateau,« antwortete Elieshi. »Wir befinden uns ziemlich genau über dem Léfïni-Reservat. Eine einsame Gegend, wenn man von der N 2 absieht, die dort drüben verläuft.« Sie deutete aus dem Fenster. »Wenn Sie genau hinschauen, können Sie sie sehen. Es ist die große Verkehrsachse des Kongo. Sie führt von Brazzaville im Süden bis nach Ouesso im Norden des Landes. Leider tangiert sie überhaupt nicht die Gegend, in die wir wollen, sonst hätten wir auch das Auto nehmen können«, fügte sie mit einem Grinsen hinzu.
»Waffenstillstand«, lachte ich und hob die Hände. »Ich ergebe mich. Mittlerweile habe ich mich so an die kleine Kiste gewöhnt, dass ich gar nicht mehr tauschen möchte. Wann haben Sie eigentlich mit der Fliegerei angefangen, Sixpence?«
»Großer Gott, wenn ich das noch wüsste«, antwortete der Aborigine. »Fliegen ist wie Fahrrad fahren. Wenn man es einmal gelernt hat, kann man sich nicht mehr an die Zeit davor erinnern. Ich habe mir meine Sporen auf einer alten Piper erworben, aber eigentlich sind alle Flugzeuge gleich: Wenn man eines kennt, kennt man sie alle. Die Grundlagen der Aerodynamik sind immer gleich, und für die Instrumente gibt es ja zum Glück Handbücher. Wollen Sie es mal versuchen?«
Ich spürte einen Kloß im Hals. »Muss das sein?«
»Nun kommen Sie schon, es ist leicht, das versichere ich Ihnen. Und wenn wirklich etwas passiert, gefährden wir wenigstens keine unschuldigen Menschenleben. Sie haben es ja gehört, dies ist eine einsame Gegend.«
»Sehr beruhigend. Na gut, was muss ich tun?«
»Die Grundlagen kennen Sie ja schon. Jetzt müssen Sie nur noch ein Gefühl für das Flugzeug entwickeln. Versuchen Sie es.« Und damit ließ er das Steuer los.
Die Maschine
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