Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)
in Moskau noch am Flughafen, sondern direkt vor seinem Haus weg entführt worden“, rief Kellermann auf dem Weg zur Tür, „ich versuche, vor Konrads Haus Reifenspuren sicherzustellen, Material dazu habe ich im Kofferraum.“
Reinfeld, noch von allen Socken, nickte zustimmend und hörte Rehbein fragen:
„Frau Konrad, haben Sie das falsche Taxi gesehen?“
„Aber ja! Ich hab Kokos Gepäck rausgetragen, während er mit Raabe am Handy korrespondierte, denn der Fahrer hupte wild und mahnte zur Eile. Die B 44 sei wegen eines Unfalls gesperrt und für den Umweg durch die Stadt an der Messe vorbei brauche er länger, die Zeit könne knapp werden, wenn er nicht sofort losführe.“
Reinfeld schnellte hoch. „Dann haben Sie auch den Fahrer gesehen!“
„Sicher! Er nahm das Gepäck von mir entgegen und verstaute es im Kofferraum. Dunkler Typ, lange, schwarze Haare, zum Pferdeschwanz zusammengebunden, schwarzer Vollbart, dunkle Brille, einen Kopf größer als ich, schlank, Jeans, grün-rotes Holzfällerhemd, Turnschuhe ... Er sprach fließend, aber fehlerhaft deutsch.“
Reinfeld stöhnte: „O maijo! Die perfekte Maskerade. Unter der Beschreibung ist er garantiert nicht zu finden. Könnten Sie sein Gesicht ohne das Drumherum beschreiben?“
„Unmöglich. Ich hab ihm nicht intensiv ins Gesicht gesehen.“
„Würden Sie seine Stimme wiedererkennen?“
„Das glaub ich schon.“
Frau Schröder hatte sich zwischenzeitlich nebenan telefonisch nach der Sperrung der B 44 gestern früh sechs Uhr erkundigt. Wie erwartet, war die erlogen. Das wunderte hier niemanden und sie wussten nun definitiv, dass dieser Mensch Konrads Entführer war.
„Konkret haben wir nichts. Nur die Statur. Wie viel Millionen schlanker Männer haben diese Größe!! Aber da wäre noch die Stimme, die Frau Konrad erkennen könnte.“
„Und der Geruch“, sagte Beate.
„Wie bitte?“
„Der Mann roch nach Pferdestall.“
„Und das Taxi, war das …“
„Ein heller Mercedes, alter Schlitten, ziemlich verdreckt. Ach ja, er hatte eine Anhängerkupplung, ich habe mich daran am Schienbein gestoßen, da ist jetzt ein blauer Fleck.“
Die Stimmung stieg an, neuer Elan kehrte in die Gemüter. Mercedes – alter Schlitten mit Anhängerkupplung – Geruch nach Pferdestall. Sie gingen daran, die Aufgaben für morgen festzulegen und unter sich aufzuteilen. Hans Rehbein sagte:
„Ich mach mich heim und leg mich aufs Ohr.“
Niemand hatte etwas dagegen, seine Aufgabe für morgen hatte er schon im Gepäck. Er musste dazu in aller Herrgottsfrühe aus den Federn. Er nahm Beates Anorak vom Haken und hielt ihn ihr zum Hineinschlüpfen bereit. „Kommen Sie mit mir, Frau Konrad, die Kennedy-Allee liegt auf meinem Weg.“
Im Hinausgehen hörten sie Hausers Stimme: „Ich übernehme den Lufthansaschalter und du die …“
***
Befand ich mich vor meinem Tod auf einer Insel? Der Schlaf hats mir nicht eröffnet, nur Hunger erzeugt. Es hatten die kühnen und erbarmungslosen Weiber was auf der Insel männlich war getötet. Rückwärtsg ingen sie einher, weil vorwärts sie zu blicken nicht vermochten. Des Morgens – falls es hier Tag- und Nachtzeiten gibt – jedenfalls wenn ich aus tiefem Schlaf erwache, bin ich von unbändigem Hungergefühl durchdrungen. Auf geheimnisvolle Weise reduziert es sich peu à peu, wird kleiner und kleiner und mündet in Sattheit, so wie der große Durst erlischt, mich friedvoll schweben lässt. Dann und wann erschreckt mich ein grässlich Grunzen. Ist es Gottes Räuspern? Wie kommt es, dass ich Jenseitswesen – Geist? – Seele? – Seelengeist? – Geistesseele? – Laute vernehme, also hören kann, aber niemanden sehen? Selbst Düsternis und Dunkelheit nicht. Wahrnehmen dennoch, wie die Geächteten ihre Schatten? Sie trugen falsche Farben, langsamen Schrittes zogen sie daher. Erschöpft und kraftlos scheinen sie – und weinen.
Der Schatten muss verschwinden, ehe er noch mehr Unglück bringen kann, und er hat nichts sonst im Sinn, als Unglück zu bringen. Wie lange hält diese Ebene mich fest? Ein Erdenjahr, ein Lichtjahr oder mehr? Ist es eine Prüfung und werde ich sie bestehen oder zu Seelenstaub zerfallen vor dem Ziel?
Herrgott, du weißt, dass ich nicht sprechen kann, ich aber weiß nicht, ob meine Gedanken zu dir dringen. Wenn sie es tun, so öffne dich meinem Gebet. Lieber Gott, wenn es Sünde war, vergib mir, erlöse mich aus dieser Schwebe und nimm mich zu dir in dein Reich. Elend war
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