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Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Titel: Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marianne Reuther
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Übernachten eventuell.”
    „Und überdacht sollte es sein – nach Möglichkeit”, ergänzte Litterer und hielt sein Gesicht in den sprühenden Regen.
    Die Eisverkäuferin lachte und bedachte ihn mit schmachtendem Blick. Nicht schon wieder, stöhnte es hinter Rehbeins Stirn, doch Peter blieb standhaft.
    „Überdacht ist köstlich.” Ihr Lachen ging in belustigtes Schmunzeln über. „Was Sie brauchen, ist eine Motorjacht mit Salon, Schlafkammern, Bad und so weiter und dazu einen Skipper, der sich in der Gegend auskennt und Ihnen für den Rest dieses Tages, in der kommenden Nacht und morgen zur Verfügung steht.”
    „Sie haben es genau erfasst.”
    „Ich sehe da eine Möglichkeit. Aber heute, an San Juan, wird das teuer.”
    „Wie teuer?”
    „Zweitausend Euro. Tausend gleich jetzt und hier und weitere tausend dem Skipper, zahlbar je zur Hälfte zu Fahrtbeginn und Fahrtende.”
    „Kolossaler Witz”, sagte Rehbein, zahlte das Eis und zog Litterer mit sich fort ins Menschengewühl unter Hunderten aufgespannter Regenschirme. Grelle Blitze durchschnitten die bunte Szenerie, gefolgt von Wolkendetonationen, die sich gewaschen hatten. Und es goss. Sie spurteten zu ihrem Leihwagen, kletterten triefnass hinein. Sechs Uhr abends.
    „Ich denke, wir suchen uns ein Hotel für die Nacht und versuchen unser Glück morgen früh”, sagte Rehbein und rief Reinfeld zur Berichterstattung an. Der flippte aus:
    „Sind Sie von allen guten Geistern verlassen? Nix wie hin zu der Eismieze und den Kahn gechartert! Wahrscheinlich erhöht sie jetzt noch den Preis. Egal – chartert den Kahn, schnell, schnell, ehe die auch dichtmacht, um zu feiern!”
     
    Es wurde acht Uhr abends, bis alles geregelt war und Skipper Antonio sie an Bord der Aurelia willkommen hieß. Er zeigte ihnen ihre Kojen, achtern links und rechts des gemeinsamen Bades.
    „Wir segeln nach Beendigung des Gewitters rüber“, bestimmte er, „falls nicht auch noch Sturm aufkommt, den müssten wir dann ebenfalls erst hier im Hafen abwettern.“
    Der Gewittersturm blieb aus, doch ein böiger Starkwind setzte ein und Antonio legte nicht ab. „Keine Sorge, die Felicitas setzt vor morgen nicht die Segel, das garantiere ich euch“, versicherte er, „selbst wenn der Wind nachlässt, ist die See zu unruhig, da bleibt jeder Skipper im Hafen oder in geschützter Bucht. Morgen früh sind wir drüben, lange bevor die ersten Segler ihre Anker lichten.“
    Er bereitete in der Pantry ein Abendessen aus frischen Gambas, servierte es in der Messe mit Ajoli, Weißbrot und Rotwein. Es mundete köstlich und danach waren seine Gäste reif für die Kojen – nicht dazu zu bewegen, bis Mitternacht aufzubleiben, um das Feuerwerk zu erleben.
     
    Windgetöse und Feuerwerksknaller wetteiferten miteinander, dennoch schaukelte Antonios Schiff die beiden in den Schlaf. „Müssen die müde sein“, murmelte er. Punkt vierundzwanzig Uhr setzte das leuchtende Schauspiel am Himmel ein. Er bewunderte es bei einem Glas Roten, ehe er sich in seine Kajüte zurückzog, den Wecker auf sechs Uhr stellte und ebenfalls einschlief.
     
     
     
     
     
     
     
    ***
     
     
     
     
    Wie groß ist deine Kunst, o höchste Weisheit, die Himmel, Erd und Hölle offenbart. Nie vor meinem Tod fühlte ich Gottes Nähe so stark. Ich erschrecke, wie egal ich ihm bin. Ich möchte zu ihm sprechen, bittend oder betend. Es ist mir versagt. Ich habe nicht nur keinen Körper, ich habe auch keine Stimme und keine Lippen, die Worte zu formen. Die Gedanken fallen zusammen wie Segel, aufgebläht vom günstigen Wind, wenn der Mast zerbricht. Aber es dringen in Intervallen Stimmen zu mir, menschliches Gemurmel, nicht entzifferbar, und entfernen sich wieder. Sind es Stimmen meinesgleichen um mich her, unsichtbar gleich mir, aber fähig, Laut zu geben? Oder sind es Stimmen von daheim, der Erde, die bis hier ins Jenseits dringen? Ich sollte mir besser nichts vormachen. Nicht das eine noch das andere. Einbildungen, akustische Halluzinationen, nichts sonst! Oder?
    In meiner Ewigkeitsheimat, wenn es sie gibt und ich dort ankomme, werde ich im Himmelsschoß meiner Ahnen geduldig die Ankunft meiner Lieben erwarten, die jetzt noch auf Erden wandeln. Wandeln – wandeln – das Wort berührt etwas in mir – ich kann es nicht greifen, es berührt Fernes, Vergessnes. Wie tief verborgen die Wahrheit denen ist, die da behaupten, jedwede Liebe sei an sich schon löblich. Wenn auch immer der Stoff der Liebe erscheinen mag, ist doch nicht

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