Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)
Tanz.“
Rehbein holte tief Luft und stieß einen Seufzer aus. „Da kommt er wohl vor morgen nicht zurück!“
„Morgen noch längst nicht, da muss er sich von den Strapazen der Nacht erholen und danach umsegelt er garantiert Ibiza, ehe er nach Hause fährt. Das ist in der Regel so sein Programm.“
Rehbein runzelte die Stirn und sah Litterer an, als ob er von ihm einen Rat erwarte. Der sagte: „Espalmador ist eine Insel, stimmt’s?“
„Ja. Die liegt im Süden, Ibiza-Stadt direkt gegenüber. Man kann fast rüberspucken. Es fahren auch Fährschiffe rüber, aber glauben Sie nur nicht, dass Sie Georg ohne Weiteres in dem Trubel finden. Entschuldigen Sie, da kommt meine Crew.“
Drei Leute kamen den Steg entlang, drei Seesäcke im Schlepp. Rehbein kramte sein Telefon hervor, wählte Reinfeld an, schilderte ihm die Situation und bat um Anweisung. Peter versuchte, Reinfelds Reaktion aus Rehbeins Gesicht zu lesen. Seit er wusste, dass es um die Entführungen ging, bei denen sich die Zeitungen überschlugen, war sein Interesse hellwach. Rehbein steckte sein Handy weg und erklärte:
„Wir fahren sofort nach Ibiza-Stadt, suchen uns dort eine Bleibe für die Nacht und ein schnelles Motorboot mit Skipper für morgen früh. Damit …“
„… flitzen wir in die Bucht von Espalmador“, fiel Peter ihm ins Wort, „und dort von Boot zu Boot, bis wir die Felicitas finden!“
***
Wo zum üblen Willen und zur Macht die Fähigkeit des Geistes noch hinzutritt, vermag das Unheil niemand abzuwehren. Die blauen Pferdchen rufen. Der Kaiser von China will sie bestrafen, dieser Schuft. Seine Schergen sind schon unterwegs. Ich muss sie retten. Sie scharren mit den Hufen, sind eingeschlossen im Pferch, ich muss das Tor öffnen, sie holen, verstecken, um Himmels willen, es ist fünf Minuten vor zwölf. Er wird sie lebendigen Leibes zerstückeln, die fünf blauen Pferdchen, wozu sie bestrafen, sie haben nichts getan! Lombarde war ich, Marco war mein Name, gekannt hab ich die Welt, geehrt die Tugend, nach der jetzt niemand mehr den Bogen spannt. Nimrod schwebt durch das milchige Nichts, dem Nebel über den Sternen ..., und Dante schläft. Im Tal der Geächteten erlischt alle Hoffnung. Des Sargmachers Gehilfen sind im Stress. Und in der Tiefe, ganz eingetaucht in Kot: das Volk. Außerparlamentarische Mächte sind nicht im Recht, außerparlamentarische Mächte haben recht. Die große Häme obsiegt. Der Sargmacher frohlockt. Das Sagen hat die außerparlamentarische Macht im Triumphzug rund um die Welt. Sie genießt das Erlöschen aller Hoffnung im Tal der Geächteten, der Schar der Seelen, der Elenden, die niemals wahrhaft lebten. Rafel mai amedi zabi almi.”
Der Materie ledig, frei leiblicher Bedürfnisse, konzentriert sich alle Kraft auf das mentale Sein. Und wenn die Kräfte all verstummen, so bleiben Erkenntnis, Wille und Erinnerung in Tätigkeit viel schärfer als zuvor. Die Seele fällt von selber ohne Weilen an eins der beiden Ufer, wunderbar. Neugier erwacht. Ich möchte dringlich wissen, ist es ein Schweben auf Dauer, in alle Ewigkeit, oder eines dem eigentlichen Raum entgegen, meiner Ewigkeitsheimat – wo meine Vorfahren auf mich warten und ich Gestalt erhalte, aus welchem Stoff auch immer? Schwerelos. Körperlos. Gib Antwort mir, denn Durst und Feuer brennen. Der neue Umgang will verkraftet sein. Zeitblitze, kürzer als ein Augenschlag, gaukeln Rumpf, Kopf und Gliedmaßen vor, so deutlich, dass ich vermeine, mit der Zunge die Lippen zu benetzen. Ich will die Hände zueinander führen, dass sie sich berühren, und falle in die neblichte Irre zurück, und mir ist, als höre ich menschliche Stimmen. Klagen. Jammern.
***
Regen, Regen, Regen in Strömen. Ausgerechnet auf Ibiza, ausgerechnet heute, am großen Tag des heiligen Johannes vor der Nacht der Freude. An jeder Tür, ob Agentur, Vermittlung oder Serviceangebot hing ein Schild mit der gleichen Auskunft: Cerrado. Geschlossen.
„Sie können von hier mit der Fähre zum Strand Espalmador fahren”, riet die freundliche Eisverkäuferin in perfektem Englisch. Englisch wurde hier auf „Eibiese” großgeschrieben, wo Engländer so dicht vertreten waren wie Türken in Kreuzberg.
„Das hilft uns nicht weiter. Wir müssen ein Boot in Espalmador ausfindig machen und mit dem Skipper sprechen. Es liegt in der Bucht unter unzählig vielen vor Anker. Wir bräuchten ein schnelles Boot mit einem erfahrenen Bootsführer und mit Kojen zum
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