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Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Titel: Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marianne Reuther
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jedes Siegel schon gut, weil es in gutes Wachs gedrückt ward. Man nimmt sie wahr, erst wenn sie sich betätigt. Ihr Dasein zeigt sie nur in ihrer Wirkung, wie grünes Laub des Baumes Leben zeigt Wo war das, da ich, getrennt von ihr, mich um die Erinnerung an ihr Antlitz mühte? In einem Zuchthaus, glaube ich. Hab ich gesessen? Wurde ich überführt, hingerichtet – und schwebe zur Hölle? Ich träume davon, dass dies alles mir träumt, nur ein Traum sei, ein garstiger Traum. Und wenn dem so wäre, könnte es sein, dass ich beim Erwachen erschrecke? Im Tal des Jammers wandelnd, im Haus der Schmerzen landend? Schiff ohne Steuermann in großem Sturme. Wohlige Dunkelheit naht. Sie ist mir willkommen, tauche in sie ein. Die Stimmen werden leise. Sehr leise.
     
     
     
    ***
     
     
     
    Der Motorlärm war schiere Beleidigung des frühen Morgens im roten Schein der aufgehenden Sonne. Die Jacht durchschnitt die Dünung, das Überbleibsel der unwirschen Nacht, an die nichts sonst erinnerte. Die Wolken waren fortgezogen, der Wind eingeschlafen, friedfertig wölbte sich der Himmel über Land und Meer. Antonio hatte nicht zu viel versprochen, die Aurelia war tatsächlich ruck zuck drüben, und als der Anker in der Bucht von Espalmador gefallen und der Motor abgeschaltet war, umfing sie die heilige Stille der schönen frühen Schöpferstunde. Die Boote ringsum schwojten sachte in variablen Strömungen. Ihre Crews schliefen noch in Kojen und an Deck, erholten sich von den Vergnügungen der Nacht unter zischendem, sprühendem Feuerwerkszauber. Petrus hatte dem wütenden Wetter rechtzeitig vor Mitternacht Einhalt geboten, aus Respekt San Juan gegenüber, wie Antonio versicherte.
    Nach dem Frühstück erkletterten Hans und Peter die Flying Bridge mit umgehängten Ferngläsern, konnten aber die Felicitas nicht erspähen. Also Motor an, Anker auf und in langsamer Fahrt im Slalom um die Ankerlieger. Nach und nach erwachte das Leben auf den Booten, stieg Kaffeeduft aus den Kajüten hervor, saßen Frühaufsteher im Cockpit. Antonio steuerte sein Schiff, während Hans nach Steuerbord und Peter nach Backbord Ausschau nach der Felicitas hielten. Um viertel nach neun entdeckte Peter den gesuchten Segler zwei Bootslängen hinter einem Katamaran. Nichts bewegte oder regte sich auf dem Schiff. Huber schlief offensichtlich noch. Sie wollten ihn auf keinen Fall wecken. Nach kurzer Beratung ließ Antonio sein Beiboot zu Wasser, Hans und Peter stiegen ein und begannen, die Felicitas zu umrudern, bis der Skipper aufwachte. „Ich lass den Anker an der gleichen Stelle fallen, an der wir gefrühstückt haben“, sagte Antonio und fuhr zurück.
     
    „Ich hatte keine Ahnung, wie anstrengend das Rudern ist“, sagte Peter nach zig Runden, „wer weiß, ob meine Hand nachher noch den Zeichenstift halten, geschweige denn führen kann.“
    Hans lachte. „Witzbold! Mach bloß kein‘ Ärger.“
    Sie ruderten seit einer Stunde und wechselten sich alle zehn Minuten ab.
    „Du, ich mein das im Ernst!“
    So, wie er das sagte, beschlich Hans die Sorge, dass es vielleicht stimmte.
    „Weißt du was, wir binden uns an Hubers Badeleiter fest und lassen uns schaukeln.“
    „Warum sind wir da nicht gleich draufgekommen?“
    „Wir überhaupt nicht und ich wenigstens jetzt. Nimm die Leine hoch, bitte, sie liegt hinter dir.“
    Rehbein ruderte das Dinghi zur Bordwand der Felicitas , Peter jonglierte es stehend, sich Hand über Hand an der Scheuerleiste entlang ziehend, auf das Heck zu, um das Dingi an der Badeleiter festzumachen, als sich ein Kopf über der Reling zeigte und rief: „Hej, wer will da mein Schiff entern?“
    „Herr Huber? Einen recht schönen, guten Morgen, eine Sekunde bitte“ – Hans arretierte die Riemen in den Halterungen und stellte sich ebenfalls im Dingi auf, zog seinen Ausweis aus der Brusttasche und hielte ihn Huber entgegen – „mein Name ist Hans Rehbein und mein Begleiter ist Peter Litterer. Wir sind aus Frankfurt hierhergeflogen, um in einer dringlichen Angelegenheit um Ihre Hilfe zu bitten.“
    Der Alte beäugte den Ausweis und die Gesichter der zwei Fremden, eines nach dem anderen.
    „Worum geht es bitte, ein Stichwort genügt.“
    „Duda.“
    „Aha. Kommen Sie an Bord. Am besten über die Badeleiter. Ihr Schlauchboot können Sie daran festbinden.“ Er eilte zum Heck, bereit, ihnen beim „entern“ zu helfen.
    „Bitte um Entschuldigung, aber mitunter sehen Gangster ebenfalls sympathisch aus.“ Mit diesem Kompliment

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