Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)
zurückgeht. Eine beachtliche Rolle, denke ich, spielt dabei der Wegfall der geballten Macht der Großmedien, die hier nicht zum Zug kommt.“
„Kann sein. Und Nicole dreht sogar noch einen Linken nach dem anderen um hundertachtzig Grad um.“
„Dich auch?“
„Wo denken Sie – wo denkst du hin! Mein Herz schlägt immer noch links.“
„Wie Oskar Lafontaine von sich sagt.“
„Also, mit dem bleib mit von der Pelle. Der hat sich zum Erzbolschewisten gemausert ... seine Verbrüderung mit der PDS – übel ist das, echt.“
„Du glaubst also, links und links sei zweierlei und hältst es mit den Intellektuellen. Mit der Avantgarde des Edelkommunismus und den Priestern einer säkularisierten Religion, den Marxisten nahestehend.“
„Du hörst dich an, als hättest du was gegen die Intellektuellen.“
„Habe ich.“
„Oh!“
„Gegen ihre Überheblichkeit. Gegen den Mangel an Toleranz gegenüber denen, die ihre Thesen in Zweifel ziehen und ihre Kritik an unserer Sozialordnung nicht teilen. Weil sie die Wahrheit für sich gepachtet haben … Wer anders denkt, denkt falsch, macht sich verdächtig. Weil sie zu keinen Kompromissen bereit sind … diese revolutionären Poeten und pseudodevoten Betroffenheitsvirtuosen. Und weil Rot Rot ist und Rot den Kommunismus erstrebt. In dem leben dann die Bonzen wie die Maden im Speck und der Rest der Menschheit ist der Verelendung preisgegeben und hat zu parieren.“
Edmund hatte sich in Rage geredet und war darüber erschrocken. Gerd vermied es, ihn anzusehen, und sagte schließlich:
„So kann ich das nicht sehen.“
Edmund nickte sorgenvoll. „Der Zeitgeist hat auch an dir gute Arbeit geleistet.“
Und bei sich dachte er, die alliierte Umerziehung feiert triumphale Erfolge. Gerd, Opfer einer Gesinnungsdiktatur, wird nie begreifen, dass Marxismus und Sozialismus mit Freiheit und Menschenwürde nicht vereinbar sind. Aber spielt das hier in Repuestos eine Rolle? Was sind die Probleme der Welt gegen das, was uns bevorsteht? Verstümmelung, Tod? Kann man sich da noch mit der Gefahr befassen, auf die Deutschland zutreibt?
Dennoch: Edmund spürte tief in sich, dass er trotz seiner Lage Deutschland nicht abschütteln konnte, dachte an den Weg, den das Land nun ging, an die Indoktrinierung durch dieses mächtige Kartell aus ideologischer Politik, irregeleiteten Schöngeistern und der Medienkontrolle, was zusammengenommen effektiver war als jede Diktatur. Von echter Freiheit – wahrer Demokratie – keine Spur.
Edmund schüttelte seinen Kopf, als wolle er ihn entleeren.
Gerd hatte offenbar seine Gedanken gelesen.
„Also hier in Süd setzen sich die Rechten mehr und mehr durch. Was die alles sagen, das hätten sie sich oben nie getraut, weil ... Der eher unpolitische Alexander Heine, der übrigens den Aufenthalt in der Apathie ebenfalls ohne Schaden überstand, hat neulich gesagt, einen rechen Mucks von sich zu geben, das hieße oben von allen Seiten mit Lehm beworfen, sogar von der Gemeinschaft ausgeschlossen zu werden.“
„Da haben wir‘s, genau so ist es. Politmobbing. Die mediale Stimmungsmache verhindert ein Abwägen beider Seiten mit- und gegeneinander, weshalb eine Balance nie zustande kommt.“
„Wenn schon. Mich überzeugen die Argumente der Rechten nicht, auch wenn sie gelegentlich einleuchten. Mich können ihre Tiraden nicht kleinkriegen.“
„Dafür ist das den Tiraden der Linken geglückt.“ – Wandelbare Natur der menschlichen Persönlichkeit, eines Tages holt auch sie dich ein, flog es Edmund durch den Sinn. Er wollte noch einiges zur Linken und ihren Tiraden sagen, aber die Vorsuppe machte ihm zu schaffen. „Entschuldige“, sagte er, „ich muss dringend die Toi aufsuchen, die ist doch hier in Süd auch hinter der Efeuwand?“
„ Ja. Jaja, gewiss.“
Es stimmte, er hatte es eilig – die Toilette zu erreichen zwar auch –, aber vor allem die Flucht zu ergreifen vor der anstrengenden Diskussion. Junge, Junge, murmelte er, auch du redest und redest, die bittere Not zu verdrängen …
Wieder zurück, sagte Edmund: „Ich muss Hauptgang und Nachtisch ausfallen lassen. Ich krieg jetzt nichts runter.“
„Und ich bin fertig – lass uns gehen.“
„Gibt es einen Friseur in der Nähe?“
„Ja. Adalbert Giebler. Ich begleite dich bis hin, das ist nur ein winziger Umweg für mich.“
Draußen fragte Edmund: „Ist dir Hannelore Voß schon hier begegnet, in Süd?“
Gerd nickte. „Sie wird jetzt wohl in der Reha sein, sich von ihrer
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