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Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Titel: Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marianne Reuther
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langsam aus.
    „Doch.“
    Edmund rührte das Essen nicht an – dicker Kloß im Hals.
    „Die braune Brühe in der kleinen Schale, die Vorsuppe“, erklärte Gerd, „ist Pflicht, alles sonst kann zurückgehen.“
    „Ich kann das nicht. Ich krieg nichts runter.“
    „Herr Konrad! Edmund! Tu mir das nicht an, ich will dich nicht gleich am ersten Tag verlieren!“
    „Du meinst …?
    „Ich meine nicht, ich weiß. Konservierung ohne Wenn und Aber. In West, da gab es wenigstens beim ersten Fehltritt eine Mahnung. Außerdem, ohne diese kleine rosarote Brille, die die Vorsuppe dir verpasst, stehst du keinen Tag hier durch. Sie ist Labsal für die geschundene Seele, glaubs mir einfach.“
    Widerwillig schlürfte Edmund das braune Zeug und schüttelte sich.
    „Schmeckt wie Brennnesselsuppe mit Mottenpulver. Du wolltest mir noch verraten, was es mit dem Leuchten auf sich hat.“
    „Wie bitte?“ Gerd führte die Serviette an seinen Mund. „Die Brühe ist verdammt heiß! Welche Leuchten?“
    „Nicht die Leuchten. Das Leuchten. Für das werdende Kind – Glückseligkeit oder so.“
    „Ach so, das. Edith. Sie ist mit Leib und Seele – nein, warte, ich will nichts durcheinanderbringen. Sie ist von einer fixen Idee besessen – oder besser – von irrationalen Vorstellungen und will sich für später vorbereiten. Sie braucht dafür viel Zeit, deshalb wollte sie den Aufschub. Sie muss den Wirrwarr in ihrem Kopf sortieren, damit sie wohlgeordnet ins Später hinübergleiten kann.“
    Edmund zog die Augenbrauen in die Höhe. Gerd kannte das gut von früher, vom Unterricht, wenn Konni mit einer Antwort nur halb zufrieden war.
    „ Später ist bei Edith nach dem Tod. Sobald die Wehen einsetzen, soll es geschehen. Das Kind soll nicht das Licht von Repuestos erblicken, sondern mit ihr zusammen das Leuchten der Glückseligkeit. Nach Ediths Weltanschauung ist das Leben der Anlauf, der Tod die Hürde, danach folgt es, das Leuchten endloser Glückseligkeit.“
    „ Glaubt diese Frau das wirklich?“
    „Wie soll ich das wissen. Ich frage mich, ob sie selbst das weiß. Oben ist sie Pfarrerin gewesen. Und gewiss keine von denen, die …“
    „Wage noch einmal“, tönte es vom Tisch der Streithähne herüber, „den Koran ein Pamphlet des Verbrechens zu nennen, und ich drück dir die Gurgel zu, Scheißjud.“
    „Was ich mir kaum bieten lasse, denn dann werden wir gemeinsam geschächtet, wie du weißt. Was ist denn in deinen Augen, neben all den anderen von Mohammed befohlenen Gewalttaten, die Aufforderung zu Mord und Totschlag? Nächstenliebe etwa? Allein in Sure …“
    „Halts Maul, halt endlich dein Maul! Steck deine krumme Nase in eure Heilige Schrift und lies die Story vom Jahwe-Schreck, von der von deinem Gott befohlenen Ausrottung ganzer Völker wie der Kanaanäer, vom jüngsten Säugling bis zum ältesten Greis. Und das ist noch nicht alles, lies deinen hochgepriesenen Moses, deinen Josua und all deine Massenmörder und lass den Koran in Ruhe, verflucht!“
    Das alte Lied, dachte Edmund. Segen und Fluch der Religionen. Hatten sie in all den Jahrhunderten wirklich zum Heil der Menschheit beigetragen – oder nicht immer nur Uneinigkeit gesät und Kriege ausgelöst? Mehr noch als säkulare Ideologien? Die Unerkennbarkeit Gottes und alles Göttlichen …“
    „Heute sind die heiligen Bücher an der Reihe“, unterbrach Gerd Edmunds Nachsinnen, „kürzlich waren es die Familien, auch die Politik haben sie schon durch … Apropos Politik, hier in Süd ist da schwer was los. Besonders abends.“
    „Tatsächlich?“
    „Ja. Im Lesesaal hinter der Bibliothek. Da wird geredet und geschrien, sie streiten rüde und unbesonnen, quatschen sich besoffen, selbst über ungelegte Eier. Dabei ist der ursprünglich links gerichtete Trend, bei dem sich die Rechten sich geduckt hielten, gekippt. Seit Nicole in Süd aufgetaucht ist – du kennst doch Nicole?“
    „Ja, Nicole Weber, die Französin.“
    „Genau! Die stellt alles auf den Kopf. Sie hat jetzt nur noch einen Arm und mit dem fuchtelt sie in der Luft herum, wenn sie in Rage kommt. So wacker, wie sie hier die rechte Keule schwingt, holte sie mit der Macht ihres Charmes die bislang schweigende Mehrheit aus der Reserve. Ich hätte nie gedacht, dass außer den Radikalen auch andere Rechtsgerichtete existieren, und siehe da, es gibt davon genauso viele, wenn nicht mehr, wie bei den Linken.“
    „Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Offenbarung allein auf Nicoles Wirken

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