Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)
waren im Frühstückssaal miteinander bekannt geworden, doch er hatte ihren Namen vergessen. Eine liebe, traurige, verzweifelte junge Frau, die sich in ihre Wohnung in der Feldbergstraße zurückwünschte, zu ihrem Mann und ihren beiden kleinen Kindern. Sie verlor die Partie, die zweite auch, bedankte sich dennoch bei ihm und beteuerte leicht schwäbelnd:
„Ich muss in zehn Minuten in der Teestub sein und einer Freundin beistehn. Die will sich umbringe. Man darf doch die Hoffnung net aufgebe, dass man uns eines Tages befreit, meine Sie net?“
„Das mein ich ganz bestimmt. Und wissen Sie was? Ich glaube sogar daran.“
Sie lächelte ihn traurig an und wandelte davon.
Glaubte er das wirklich? Oder gab er das nur vor, um der armen Frau ein Wort des Trostes zu sagen? Er wusste es nicht.
Am Abend hatte Edmund keinen Appetit und wollte in die Lesestube statt schon wieder ins Restaurant. Er wusch den Anflug einer Müdigkeit mit kaltem Wasser aus dem Gesicht, und als er aus dem Waschraum heraustrat, blinkte das blaue Licht des Monitors. Er schaltete ein.
Sie begeben sich jetzt ohne Begleitung in den „Liliengarten“. Der Ober führt Ihnen einen Novizen an einem reservierten Tisch zu, Rudolf Fischer. Sie verfahren mit ihm laut Verordnung sechs unter YA. Sie sind nicht befugt, dem Neuling über die Informationen Blatt eins bis drei der Hausordnung hinaus Auskünfte zu erteilen. Duda
Also doch Restaurant. Der Kellner führte ihn an den Tisch gegenüber der blauen Tür. Die öffnete sich Minuten später. Ein junger Mann trat ein. Zotteliger Typ. Sein Gesicht verriet Verwirrung und Staunen. Dann wurde er zornig, schrie den Kellner an und ließ sich nur unwillig zu Edmund führen. Hier tobte er weiter, blickte wild zwischen dem Kellner und Edmund hin und her.
„Wenn ihr Brüder glaubt, damit durchzukommen, habt ihr euch geschnitten. Mein Vater hat Beziehungen bis in die höchsten Kreise und die lässt er spielen, sobald er merkt, dass ihr mich gekrallt habt! Ich muss sofort nach Hause ... ich schreibe übermorgen eine Klausur und habe noch eine Menge zu büffeln.“
Der Kellner zwinkerte Edmund zu und zog sich zurück.
„Also, mein Junge, um das erst mal klarzustellen: Ich – Edmund Konrad übrigens – gehöre nicht zu denen, die dich gekrallt haben. Und was die Beziehungen deines Vaters angeht, wünsche ich ihm von Herzen Erfolg, ich will nämlich auch hier raus.“
„Ach! So ist das.“
„Ja. So ist das. Und hier unten kannst du anranzen, wen du willst, ohne einen zu treffen, den zu treffen du beabsichtigst. Von denen, wer immer sie auch sein mögen, ist keiner hier unter Tage. Hier vegetieren nur Opfer.“
„Vegetieren ist gut“, spöttelte Fischer mit einem Blick in die Runde des Restaurants, auf die hin und her eilenden Kellner und auf die reichlich gedeckten Tische. Ein Mann am Nachbartisch knackte gerade einen Hummer. „Cui bono? Ich meine, wozu dieser Aufwand? Liquidieren wäre doch so viel kostengünstiger.“
„Das kriegen Sie noch zu hören, aber nicht von mir. Ich hab Ihnen diese Unterwelt in groben Umrissen zu zeigen und am Ende des Rundgangs Ihre Suite.“
„Das bedeutet, Sie haben Ihre Anweisungen. Die muss Ihnen doch wer erteilt haben – hier unten.“
„Ja. Der Monitor in meiner Kemenate.“
„Hört sich interessant an.“
„Alles in Repuestos ist interessant. Und einmalig.“
„Eins verstehe ich ganz und gar nicht – Sie sind doch eigentlich viel zu alt für die achte Kolonne.“
„Für die – bitte was?“
„Kommen Sie! Ihr operiert doch nicht auch hier verdeckt?“
„Bestellen Sie sich erst mal was, der Kellner steht sich schon die Beine in den Bauch“, antwortete Edmund und begann, das Gesicht seines jungen Gegenübers zu studieren. Von Zorn keine Spur mehr, dafür Staunen und einfältige Unbekümmertheit. Fischer las die Karte und gab immer wieder ein „Wow“ von sich. Er wählte Markklößchen in Rindfleischbrühe, Entenbrust mit Rotkraut und Maronen, dazu Kroketten. Für hinterher Sahneeis mit Ananasscheiben. Er klappte die Karte zu und bat um die Weinkarte.
„Tut mir leid, zur Wahl stehen lediglich Wasser und Säfte.“
Rudolf Fischer sah den Kellner an, als käme der von einem anderen Stern, enthielt sich aber eines Kommentars und verlangte ein Glas Wasser.
„Ich nehm heute nur eine Hühnersuppe mit Ei“, sagte Edmund.
Fischer genoss mit Behagen seine Mahlzeit. Armer Teufel, die Unbeschwertheit würde bald ein Ende finden.
„Hand aufs
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