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Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Titel: Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marianne Reuther
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Bein? Allein daheim? Bei ihrer Mutter in Kiel? Bei seiner Mutter in Oberrad vermutlich nicht, die beiden konnten nicht so gut miteinander.
    Ob sie wohl Koko telefonisch in Spanien erreicht und informiert hatten? Vielleicht war er ja bereits wieder in Frankfurt und suchte nach ihm.
    Von Scholzes Mörder hatte die Polizei noch keine Spur. Edmund überflog die ersten Seiten der Zeitungen. Heftige Sturmböen hätten im Spessart Bäume entwurzelt. Angela Merkel rücke mehr und mehr nach links, obwohl sie betone, nicht unter dem Einfluss der SPD zu stehen. Münteferings Rolle als graue Eminenz wirke wohl bis heute nach. Die Linke werde von Tag zu Tag kecker und setze alles daran, das Land in den Ruin zu treiben.
    In der hinteren Ecke des Lesesaals saßen drei Spender vor dem Fernseher und sahen sich die Fliege-Sendung an. Das bestätigte Edmund, dass hier unten Videoaufnahmen gezeigt wurden, denn diese Peinlichkeit von Serie war seit Langem schon abgesetzt. Das Rätselraten um Direktsendungen über technische Relais oder gar Kabel hatte damit ein Ende. Aber spielte das überhaupt eine Rolle?
    Edmund verließ den Lesesaal und beschloss, „nach Hause“ zu wandeln. Dabei kam er am „Pussikat“ vorbei. Ein offensichtlich verwirrter Mann trat aus der Tür und eigentümliche Geräusche drangen heraus. Diesmal überwand Edmund seine Neugier nicht. Zögernd näherte er sich dem Eingang, an dem sich Franz Gerschpacher postiert hatte und jeden Besucher strafend ansah: „An dem Tage aber, da Lot aus Sodom ging, da regnete es Feuer und Schwefel vom Himmel!“
    Edmund trat ein und prallte zurück. Sonntagamüsement in Repuestos ! Ein Pulk von Spendern beim sexuellen Pläsier, einem unentwirrbaren Knäuel gleich. Es erinnerte Edmund an Tubifex, einem Knäuel Gewürm zur Fütterung von Zierfischen. Er mochte weder Augen noch Ohren trauen. Zum hämmernden Scratching aus den Lautsprechern grölten die einen, seufzten, jauchzten oder stöhnten die anderen in brünstiger Lust. Paare paarten sich beim Tanz, zuckend, stoßend im Rhythmus der harten Trommel- und Schlagzeugerschläge. Reihum ging es, kreuz und quer, eine Schlangengrube exstatisch verrenkter Leiber, umeinander geschlungen zu undefinierbaren, skurrilen Figuren, im Stehen und Liegen, im Bücken und Knien bis hin zum schnellen Finale, um nach kurzer Erschöpfungspause, wenige Atemzüge lang, den Wahnsinn aufs Neue zu starten mit wahllos jedem Partner. Die weiße Einheitskleidung, teils aufgeknöpft, teils abgestreift oder hastig beiseite gezerrt unterstrich die Groteske des rastlosen Schauspiels auf schauerlichste Weise. Die Szenerie präsentierte sich auf einer Ebene neun Stufen unterhalb der Eingangsempore, durch ein Geländer von der Sexhölle getrennt, sodass man von hier aus durch Gitterstäbe auf das Tosen herabsah.
    „Endzeitstimmung“, hörte Edmund hinter sich sagen. Er drehte sich um und sah Laura Schneider ins Gesicht. Peinlich, dachte er, sie hier zu treffen.
    „Sind das da noch Menschen?“ Heiser – seine Stimme.
    „Belive it or not, das sind in ihrem Leben überhaupt zum ersten Mal Menschen“, mischte sich Müser ein, der Sommersprossige aus Kemenate 29, der wohl schon eine Weile neben Edmund gestanden hatte, „Kaskaden der Wollust, frei von denaturiertem Verhalten, von Tabus, von Kultur, Moral und sonstigen Verkrampfungen – Menschen eben, wie sie wirklich sind. Einen schönen Tag noch.“
    Müser stieg die Stufen hinab in den brodelnden Teig.
    Edmund stand der verblüffte Mund noch halb offen, als Laura Schneider, indem sie mit ihrer Rechten einen Bogen beschrieb, der die ganze Szene umfasste, sagte:
    „Der Lack ist ab. Der Lack der Zivilisation, verstehen Sie? Die Natur bricht sich Bahn. Selbst auf die Gefahr hin, dass Sie entsetzt sind, muss ich gestehen: Das alles macht mich unglaublich an. Mir kribbelt‘s im Bauch und ich hätte große Lust, mich in das Gewimmel zu stürzen.“
    Edmund verschlug es die Sprache, bis er fragte:
    „Was hindert Sie daran?“
    „Ein alberner Rest von Moral ... Sie haben doch sicher nichts dagegen, wenn ich, nun, ich möchte mich jetzt mit Ihnen paaren.“
    Nein, ich habe mich nicht verhört, wie die guckt ...
    „Wieso mit mir?“
    „Ganz einfach, erstens sind Sie sehr maskulin, zweitens bin ich nach wochenlanger Abstinenz heiß wie ein Vulkan, ja, richtig heiß … und drittens möchte ich schwanger werden, bevor meine Zeit im Kamp West abläuft. Eine Verlängerung um neun Monate und sechs Wochen ... in der Zeit

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