Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)
hatte der Taxifahrer die Frau zugehen sehen. Eine blaue Eule in einem schwarz umrandeten weißen Kreis prangte an allen vier Seiten einer zwei Meter hohen Lichtsäule neben dem Tor und auch in der Eingangstür des Glasbaus.
„Hellas-Olympis-Kapitalanlagen“ stand darüber. Und darunter: Geschäftszeiten Mo-Fr 9.30 bis 17.00 Uhr.
Das war zu erwarten. Es war Abend, kurz vor halb acht. Er notierte: Hellas-Olympis, Geschäftsführer Leo F. Haralabidi.
Ob der die Villa bewohnte? Rehbein schritt die Fassade entlang auf den Altbau zu. Drei breite Sandsteinstufen führten zur Eingangstür. Auf einem kleinen Messingschild unter dem Klingelknopf befanden sich die Buchstaben R.+ D. Er betätigte die Klingel. Nichts regte sich.
„Nichts geht mehr – bis morgen früh um halb zehn“, brüllte er, während er den Motor anließ, das Maskottchen seiner Ex an. Es baumelte noch immer unter dem Innenspiegel. Ein kleiner, brauner Bär in Jeans mit einer Batschkapp von Ohr zu Ohr.
***
Fünf Frauen in schlechter Hoffnung hatten sich zum Gespräch über ihre Lage bei einem gemeinsamen Mittagessen im Rosengarten zusammengesetzt und begaben sich danach auf einen Spaziergang. Als sie die Sperbergasse überquerten, sah Angela Edmund vor dem Aquarium die Fische bestaunen und verließ die kleine Gruppe mit: „Macht’s gut, wir sehen uns später in der Gymnastik.“
Millionen Luftbläschen der emporschießenden Fontäne brachen sich funkelnd im Licht verborgener Minischeinwerfer und perlten, bevor sie sich auflösten, hoch oben an der Wasseroberfläche in konzentrischen Kreisen auseinander.
„Hallo, Edmund, dass man dich außerhalb auch mal wieder sieht!“
„Bin ständig müde und leg mich flach. Sieh mal, ist das nicht wunderschön?“
Es zog ihn immer öfter in die Kleibergasse zu den Aquarien. Weißer Sand, sattes Grün, exotische Fische – ein lautloses Stück kunstvoll arrangierter Natur. Edmund konnte den Blick nicht abwenden, rührte sich nicht vom Fleck, blieb stumm und spürte Angelas Ungeduld nicht, die derzeit keinen Sinn für derlei aufbringen konnte. Immer wieder war Neues zu entdecken. Der schwarz-weiß gestreifte Körper hinter den wogenden Algen, das musste eine Zebramuräne sein. Hinter dem Grünzeug ruhte reglos ein Aal, im Sand fast völlig verborgen. Darüber und ringsum schwebten Fische zwischen Felsgestein und Pflanzen in anmutigen Bewegungen durch das kristallklare Wasser. Schließlich packte Angela seinen Arm. „Edmund – ich muss Gustav sehen, unbedingt. Einen Blick in die Apathie werfen. Wenigstens für einen Moment. Meinst du, ein Betriebsschützer könnte das für mich arrangieren?“
Sie war heute noch blasser als sonst und an ihrem Hals flammten rote Flecke.
„Ausgeschlossen. Es ist uns verboten, die Betriebsschützer anzusprechen, und denen, uns anzuhören ... die setzen deinetwegen doch nicht ihr Privileg aufs Spiel.“
„Ich muss ihn sehen. Einmal.“
„Warum hast du in der letzten Woche nicht die Gelegenheit genutzt, als sie uns einluden, den armen Fischer in seiner neuen Wohneinheit zu begaffen?“
„Das war so niederträchtig, das musste ich boykottieren. Aber ich muss Gustav sehen – dringend.“
Und ich Lydia! Er verstand Angela nur zu gut. Hilflos sah er zum Aquarium, wo sich zwei Zwergfische umkreisten, das Männchen in leuchtenden, blau-roten Streifen, das Weibchen Grau in Grau.
„Begreifst du denn nicht, dass ich ihn dann überhaupt nie mehr sehen werde?“
„In Süd seid ihr wieder zusammen.“
„Ich komm nicht nach Süd. Das tu ich unserem Kind nicht an.“
Er wusste, was sie damit sagte. Er wusste ebenso, dass er sie davon nicht abbringen konnte, und unterließ es, auch nur darauf einzugehen.
„Und wenn ich versuche, mich unter die nächsten Neuankömmlinge zu schmuggeln, wenn sie zu ihrem Einführungsreferat ins Forum zitiert werden?“
Jetzt drehte Edmund sich zu ihr um, packte sie bei den Schultern.
„Nichts wirst du tun, Mädchen, du denkst dich noch um Kopf und Kragen. Hör auf damit, es ist sinnlos.“
Franz Gerschpacher tauchte neben ihnen auf. „Aber die Wüste und Einöde wird lustig sein, und das dürre Land wird fröhlich stehen und wird blühen wie die Lilien. Denn die Herrlichkeit des Libanon ist ihr gegeben.“
Gut, das er es stets mit zwei, drei Sätzen bewenden lässt und weiterzieht, dachte Edmund.
„Gehen wir ins ‚Kuba‘ auf eine Tasse Mocca?“
„Gern, wenn du
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