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Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Titel: Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marianne Reuther
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nichts. Aber Raabe, der Chef der Mordkommission, ist von Ihrer Entführung überzeugt und ermittelt verdeckt – befugt ist er nicht, denn es fällt nicht in sein Ressort.
    Ich bin Kriminalkommissar beim Landeskriminalamt Wiesbaden. Ich war auf der Autobahn unterwegs nach Frankfurt, um auf dem Frankfurter Polizeipräsidium bei Hauptkommissar Raabe die Vertretung eines erkrankten Kollegen anzutreten, als ich gekidnappt wurde. Einer der Gangster fuhr mit meinem Dienstfahrzeug davon. Ich kam nach einem Stich in den linken Oberarm auf der Abwärtsfahrt hierher wieder halb zu Bewusstsein.
    Ich bin so verzweifelt wie Sie alle, aber nicht ohne Hoffnung und die möchte ich mit Ihnen teilen. Sie beruht teils auf der Annahme, dass der Mensch, der mit meinem Dienstfahrzeug davongefahren ist, von dem Entführerclan im Austausch gegen mich bei der Kripo Frankfurt eingeschleust worden ist. Dann haben die Gangster schlechte Karten, weil der Mann über kurz oder lang auffliegt, denn Raabe kann niemand auf Dauer an der Nase herumführen. Ist der Maulwurf erst ertappt … dazu kann ich nur sagen: Raabe hat noch jeden zum Reden gebracht.
    Raabe kämpft nicht allein auf weiter Flur, sondern zusammen mit einem Freund, einem Privatdetektiv, der mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln nach euch – nach uns – sucht, nicht allein im Auftrag eurer Angehörigen. Er ist der Bruder eines Vermissten und allein schon von daher hochmotoviert. Mit diesem Mann und seinem Team arbeitet Raabe verdeckt zusammen. Die Gangster haben offensichtlich den Braten gerochen und einen von ihnen gegen mich ausgetauscht, auf dass er fleißig Raabes Mühen hinterrücks zunichte machen soll. Das ist alles, was ich zu sagen habe, dem ich nur noch den Wunsch hinzufügen kann, dass der Spuk bald ein Ende hat.“
    Mensinger wischte sich mit einer Serviette über Stirn und Glatze und trank das Glas Orangensaft in einem Zug aus. Eine defekte Neonröhre verbrummte die Totenstille, die eingetreten war. Edmund erging es wie allen im Raum, ihm war zum Weinen wie zum Freuen zumute. Er malte sich Raabes und Kokos Wirken aus, aber auch, wie der falsche Mensinger jetzt das Gangstersyndikat mit Informationen versorgte und zugleich Sand ins Getriebe der Ermittlungsarbeiten streute und falsche Fährten legte. Würde man ihn je entlarven, und wenn ja, wann ? Aber Koko war am Ball und er würde sie knacken, die Nuss, der alte Nussknacker. – Jetzt erst fühlte Edmund heiße Tränen übers Gesicht rinnen und er sah um sich herum alle flennen, ob aus dem Glück neu gewonnener Hoffnung oder aus ihrem Elend heraus, wussten sie wohl selber nicht, sogar Mensinger weinte mit. Eine leise unbändige Kollektivheulerei war im Gange, unterbrochen von Schluchzern und Schnäuzern, bis sich nach und nach die Versammlung auflöste, wobei niemand das Lokal verließ, ohne Mensinger stumm oder mit leisem „Danke“ die Hand zu drücken.
    Es war drei Uhr früh, als Edmund sich in seiner Zelle ausstreckte und an die Decke starrte, an der das fahle Licht der Straßenlaterne Kringel und Kräusel durch die Tüllgardine zeichnete. Er konnte kein Auge zutun, aber auch keinen vernünftigen Gedanken fassen. Immer wieder repetierte er Mensingers Vortrag, durchsetzt von einem Durcheinander bizarrer Bilder. Sie begleiteten ihn in den Tag, und er traf ziemlich gerädert in der Schwimmhalle ein. Angela, wenngleich von den Pflichtprogrammen freigestellt, fühlte sich heute gut beieinander und nahm zur Abwechslung ausnahmsweise durchgehend daran teil. Sie hatte sich dazu erst in letzter Minute entschlossen und kam etwas verspätet zum Schwimmen. Die Bewohnerzahl der Gefangenenenklave hatte bereits so zugenommen, dass es schwierig war, Verabredung mit jemandem zu treffen. Allein am Vortag waren zwölf Neue hinzugekommen.
    Angela hielt vergeblich nach Edmund Ausschau. Sie wollte ihn fragen, ob er Lust hätte, sie heute Abend ins Theater zu begleiten. Am Ende der Halle, bei der Duschpolonaise, traf sie Hannelore und fragte: „Ich kann Edmund nicht finden – haben Sie ihn heute schon gesehen?“
    „Ja, beim Frühstück. Danach nicht mehr. Dabei hätte ich ein paar Fragen an ihn – wegen der Versammlung letzte Nacht.“
    „Was für eine Versammlung?“
    „Ach – Sie wissen gar nicht …? Also, ich hatte davon auch nichts mitbekommen, weil ich gestern abend recht früh schlafen gegangen bin. Einer der Neuzugänge ist Polizeibeamter in Frankfurt und hat in Friedas Saftstube berichtet, dass man oben mit Volldampf

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