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Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition)

Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition)

Titel: Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
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auch gekriegt.«
    Dann lässt sie mich los und ich renne weg.

lena
    M
it Coral sind wir viel langsamer. Jetzt, wo sie gebadet hat und die Schnitte und Kratzer verbunden sind, hat sie keine sichtbaren Verletzungen, aber sie ist ganz offensichtlich sehr schwach. Gleich, als wir uns in Bewegung setzen, fällt sie zurück, und Alex bleibt bei ihr. Obwohl ich es zu ignorieren versuche, kann ich den Vormittag über ihr Gespräch hören, das sich über und durch die anderen Stimmen webt. Einmal höre ich Alex laut auflachen.
    Am Nachmittag kommen wir an einer großen Eiche vorbei. In ihren Stamm sind mehrere Linien gekerbt und geschnitzt. Sobald ich das Zeichen sehe, erkenne ich es und schreie auf: ein Dreieck, gefolgt von einer Nummer und einem angedeuteten Pfeil. Das ist Brams Muster, eine besondere Markierung, die er während unserer Umsiedlung vom nördlichen Stützpunkt letztes Jahr verwendet hat, um unseren Weg zu kennzeichnen und uns dabei zu helfen, im Frühjahr den Rückweg zu finden.
    An diese Markierung erinnere ich mich ganz besonders; sie weist den Weg zu einem Haus, auf das wir damals gestoßen sind, einem unversehrten Haus, in dem eine Familie aus Invaliden wohnt. Raven muss es auch wiedererkennen.
    »Treffer«, sagt sie grinsend. Dann ruft sie der Gruppe zu: »Hier lang geht’s zu einem Dach über dem Kopf!« Man hört Jubel und Freudenschreie. Schon nach einer Woche abseits der Zivilisation sehnen wir uns nach den einfachsten Dingen: nach Dächern und Wänden und Wannen voll mit dampfendem Wasser. Nach Seife.
    Das Haus liegt keine anderthalb Kilometer entfernt, und als ich das Giebeldach erblicke, das von einem dichten Pelz aus braunem Efeu bedeckt ist, macht mein Herz einen Satz. Die Wildnis – so weitläufig und unbeständig, so verwirrend – weckt in uns auch die Sehnsucht nach Vertrautem.
    Aufgeregt erzähle ich Julian: »Hier haben wir letzten Herbst Station gemacht. Während der Reise von Rochester Richtung Süden. Ich kann mich noch an das kaputte Fenster da erinnern – siehst du, wie sie es mit Holz geflickt haben? Und an den kleinen steinernen Schornstein da über dem Efeu.«
    Mir fällt allerdings auf, dass das Haus heruntergekommener wirkt als noch vor einem halben Jahr. Die Steinfassade ist dunkler, von einer glatten Schicht aus schwarzem Schimmel überzogen, der sich in den Fugen ausgebreitet hat. Die kleine Lichtung, auf der das Haus steht und wo wir letztes Jahr unsere Zelte aufgestellt haben, ist von hohem braunen Gras und Dornengestrüpp überwuchert.
    Aus dem Schornstein steigt kein Rauch auf. Ohne Feuer muss es kalt sein im Haus. Letzten Herbst kamen uns die Kinder schon auf halbem Weg zur Tür entgegengerannt. Sie waren immer draußen, lachten, schrien und neckten sich. Jetzt herrscht Stille, abgesehen vom Wind im Efeu, einem langsamen Seufzen.
    Allmählich fühle ich mich unbehaglich. Den anderen geht es vermutlich ähnlich.
    Die letzten Kilometer haben wir zügig zurückgelegt, angetrieben von der Hoffnung auf ein richtiges Essen, ein Haus, die Gelegenheit, sich wie Menschen zu fühlen. Jetzt sagt niemand mehr ein Wort.
    Raven erreicht die Tür als Erste. Sie zögert mit erhobener Faust; dann klopft sie. Das Klopfen klingt hohl und überlaut in der Stille. Nichts geschieht.
    »Vielleicht sind sie unterwegs zum Sammeln«, sage ich. Ich versuche die Panik zu unterdrücken, die in mir aufsteigt, das nagende Gefühl der Angst, das ich immer bekam, wenn ich am Friedhof in Portland vorbeilief. Wir rennen besser ganz schnell , hat Hana immer gesagt, sonst strecken sie die Hände aus und packen uns an den Knöcheln.
    Raven antwortet nicht. Sie legt die Hand auf den Türknauf und dreht. Die Tür geht auf.
    Sie sieht Tack an. Er nimmt das Gewehr von der Schulter und betritt vor ihr das Haus. Raven wirkt erleichtert, dass er die Führung übernommen hat. Sie zieht ein Messer aus dem Gürtel an ihrer Hüfte und folgt ihm nach drinnen. Wir anderen gehen hinterher.
    Es stinkt fürchterlich. Schwaches Licht scheint in die Dunkelheit, es dringt durch die offene Tür und bahnt sich einen Weg zwischen den Holzlatten vor dem kaputten Fenster hindurch. Wir können gerade so die Umrisse der Möbel erkennen, von denen viele zerbrochen oder umgestoßen sind. Jemand schreit auf.
    »Was ist hier passiert?«, flüstere ich. Julian tastet im Dunkeln nach meiner Hand und drückt sie. Niemand antwortet. Tack und Raven gehen weiter in den Raum hinein, ihre Schuhe knirschen auf Glassplittern. Tack rammt den

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