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Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition)

Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition)

Titel: Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
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räuspere mich. »Ich bin’s, Hana. Ich bin eine Freundin – war eine Freundin von Lena.«
    Ohne Vorwarnung springt sie auf und rennt davon, die Puppe und den Stock lässt sie zurück. Ich renne automatisch los und stürme hinter ihr die Straße entlang.
    »Warte!«, rufe ich. »Bitte – ich tu dir nichts.«
    Grace ist schnell. Sie hat schon fünfzehn Meter Vorsprung. Dann biegt sie um eine Ecke, und als ich dort ankomme, ist sie verschwunden.
    Ich bleibe stehen. Mein Herz klopft bis zum Hals und ich habe einen schlechten Geschmack im Mund. Ich nehme das Basecap ab und wische mir den Schweiß von der Stirn. Dabei komme ich mir total idiotisch vor.
    »Bin ich blöd«, sage ich laut. Weil es mir danach besser geht, wiederhole ich es noch mal etwas lauter. »Bin ich blöd.«
    Irgendwo hinter mir höre ich Gekicher. Ich wirbele herum, doch da ist niemand. Mir stehen die Nackenhaare zu Berge; ganz plötzlich habe ich das Gefühl, beobachtet zu werden, und mir kommt der Gedanke, dass, wenn Lenas Familie hier ist, auch andere hier sein müssen. Mir fällt auf, dass in den Fenstern des Hauses auf der gegenüberliegenden Straßenseite billige Duschvorhänge aus Plastik hängen; daneben ist ein Garten, der mit einer Schicht Plastikschutt überzogen ist – Spielzeug und Becher und Plastikbauklötze, aber ordentlich aufgereiht, als hätte dort vor kurzem jemand gespielt.
    Plötzlich gehemmt ziehe ich mich in den Schutz der Bäume zurück, den Blick auf die Straße gerichtet, die ich nach Anzeichen für irgendwelche Bewegungen absuche.
    »Wir haben ein Recht hier zu sein, weißt du.«
    Die flüsternde Stimme ist direkt hinter mir. Ich fahre herum, so erschrocken, dass ich einen Augenblick nicht sprechen kann. Ein Mädchen ist zwischen den Bäumen aufgetaucht. Sie starrt mich mit großen braunen Augen an.
    »Willow?«, krächze ich.
    Ihre Augenlider flackern. Falls sie mich erkennt, lässt sie es sich nicht anmerken. Aber das ist definitiv sie – Willow Marks, meine frühere Klassenkameradin. Sie wurde kurz vor unserem Abschluss von der Schule genommen, nachdem es Gerüchte gegeben hatte, dass man sie nach Anbruch der Ausgangssperre mit einem Jungen, einem Ungeheilten, im Deering Oaks Park erwischt hatte.
    »Wir haben ein Recht«, wiederholt sie im selben dringlichen Flüsterton. Sie verschränkt ihre langen, dünnen Finger. »Ein Weg und ein Pfad für alle … Das verspricht doch das Heilmittel …«
    »Willow.« Ich trete einen Schritt zurück und stolpere beinahe über meine eigenen Füße. »Willow, ich bin’s, Hana Tate. Wir hatten letztes Jahr zusammen Mathe. Bei Mr Fillmore. Weißt du noch?«
    Ihre Augenlider flackern. Ihre Haare sind lang und furchtbar verfilzt. Ich weiß noch, wie sie sich bunte Strähnen gefärbt hat. Meine Eltern haben immer schon gesagt, sie würde in Schwierigkeiten geraten. Sie haben gesagt, ich solle mich von ihr fernhalten.
    »Fillmore, Fillmore«, wiederholt sie. Als sie den Kopf dreht, sehe ich die dreizackige Eingriffsnarbe, und ich erinnere mich daran, dass man sich damals, als sie plötzlich nicht mehr zur Schule kam, erzählte, ihre Eltern hätten sie zu einem früheren Eingriff gezwungen. Sie runzelt die Stirn und schüttelt den Kopf. »Ich weiß nicht … Ich bin nicht sicher …« Sie hebt die Fingernägel an den Mund und ich sehe, dass die Nagelhaut ganz abgekaut ist.
    Mir dreht sich der Magen um. Ich muss weg hier. Ich hätte nie herkommen dürfen.
    »Schön, dich getroffen zu haben, Willow«, sage ich. Ich gehe ganz langsam und vorsichtig um sie herum und versuche mich nicht zu schnell zu bewegen, obwohl ich am liebsten losrennen würde.
    Doch plötzlich legt mir Willow den Arm um den Hals und zieht mich an sich, als wollte sie mich küssen. Ich schreie auf und wehre mich, aber sie ist überraschend stark.
    Sie tastet mit einer Hand über mein Gesicht und drückt auf meinen Wangen und meinem Kinn herum wie eine Blinde. Das Gefühl ihrer Nägel auf meiner Haut lässt mich an kleine, scharfkrallige Nagetiere denken.
    »Bitte.« Zu meinem Entsetzen merke ich, dass ich beinahe weine. Meine Kehle krampft sich zusammen; vor Angst bekomme ich kaum Luft. »Bitte lass mich los.«
    Ihre Finger ertasten meine Eingriffsnarbe. Ganz plötzlich scheint alle Energie aus ihr zu entweichen. Einen Moment wird ihr Blick klar und als sie mich ansieht, erkenne ich die alte Willow: schlau und aufmüpfig und – jetzt gerade – resigniert.
    »Hana Tate«, sagt sie traurig. »Dich haben sie

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