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Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition)

Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition)

Titel: Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
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den Finger an den Abzug. In meiner Brust steigt Panik auf. Ich weiß nicht, ob ich schießen soll. Ich habe noch nie etwas aus dieser Entfernung erschossen. Ich habe noch nie einen Menschen erschossen. Ich weiß noch nicht mal, ob ich das kann.
    Scheiße, Scheiße, Scheiße, Scheiße. Ich wünschte, Tack wäre hier.
    Scheiße.
    Was würde Raven tun?
    Der Aufseher erreicht den Rand des Lagers. Er senkt das Gewehr und ich nehme den Finger vom Abzug. Vielleicht ist er nur ein Kundschafter. Vielleicht soll er Bericht erstatten. Das würde uns Zeit geben abzuhauen, hier zu verschwinden, uns vorzubereiten. Vielleicht passiert uns nichts.
    Dann taucht Coral wieder aus dem Wald auf.
    Den Bruchteil einer Sekunde lang steht sie einfach nur da, erstarrt und weiß wie vom Blitzlicht eines Fotografen eingerahmt. Den Bruchteil einer Sekunde lang rührt sich auch der Aufseher nicht.
    Dann schnappt sie nach Luft und er richtet sein Gewehr auf sie, und ohne nachzudenken oder zu wissen, was ich tue, kehrt mein Finger zum Abzug zurück und drückt ab. Der Aufseher geht in die Knie und schreit auf, als er zu Boden fällt.
    Dann herrscht Chaos.
    Der Rückschlag des Gewehrs schleudert mich nach hinten und ich stolpere und versuche, das Gleichgewicht zu halten. Etwas Spitzes bohrt sich tief in meinen Rücken und der Schmerz breitet sich von meinen Rippen bis zu meinen Schultern aus. Weitere Schüsse – einer, zwei – sind zu hören und dann Schreie. Ich renne hinunter ins Lager. In weniger als einer Minute hat es sich entfaltet, geöffnet, in einen Schwarm aus Menschen und Stimmen verwandelt.
    Der Aufseher liegt mit ausgestreckten Armen und Beinen bäuchlings auf der Erde. Eine Pfütze aus Blut breitet sich wie ein dunkler Schatten um ihn herum aus. Dani steht mit gezogener Pistole neben ihm. Offenbar hat sie ihn getötet.
    Coral hat die Arme um sich geschlungen und sieht schockiert und schuldbewusst aus, als hätte sie den Aufseher irgendwie herbeibeschworen. Glücklicherweise ist sie unverletzt. Ich bin froh, dass ich sie instinktiv doch habe retten wollen und muss daran denken, wie ich sie vorher ins Fadenkreuz genommen habe. Ich schäme mich. So ein Mensch wollte ich nicht werden. Der Hass hat sich einen dauerhaften Platz in mir eingerichtet, ein Loch, in dem leicht Dinge verloren gehen können.
    Vor dem Hass haben die Zombies immer gewarnt.
    Pike, Hunter und Lu reden alle durcheinander. Der Rest unserer Gruppe hat sich im Halbkreis um sie zusammengedrängt, mit im Mondlicht bleichen und ängstlichen Gesichtern, hohlen Augen, wie auferstandene Gespenster.
    Nur Alex steht nicht. Er hockt auf der Erde und packt mit System seinen Rucksack wieder ein.
    »Okay.« Raven spricht leise, aber wegen der Dringlichkeit in ihrer Stimme hat sie unsere volle Aufmerksamkeit. »Sehen wir den Tatsachen ins Auge. Wir haben einen toten Aufseher am Hals.«
    Jemand wimmert.
    »Was tun wir noch hier?«, fällt Gordo ein. Seine Miene ist voller Panik. »Wir müssen hier weg.«
    »Wohin denn?«, fragt Raven. »Wir wissen nicht, wo sie sind oder aus welcher Richtung sie kommen. Wir könnten ihnen direkt in die Arme laufen.«
    »Pssst«, bringt uns Dani mit scharfer Stimme zum Schweigen. Erst ist es ganz still, abgesehen vom leisen Heulen des Windes in den Bäumen und dem Schrei einer Eule. Dann hören wir es: Stimmen aus der Ferne.
    »Ich finde, wir sollten hierbleiben und kämpfen«, sagt Pike. »Das ist schließlich unser Gebiet hier.«
    »Wir kämpfen nur, wenn es sich nicht vermeiden lässt«, sagt Raven an ihn gewandt. »Wir wissen nicht, wie viele Aufseher es sind und was sie für Waffen haben. Sie sind besser genährt und stärker als wir.«
    »Ich hab’s satt, immer zu fliehen«, gibt Pike zurück.
    »Wir fliehen nicht«, sagt sie ruhig. Sie wendet sich wieder an den Rest der Gruppe. »Wir werden uns aufteilen. Im Umkreis des Lagers ausschwärmen. Uns verstecken. Einige von uns können runter zum alten Flussbett. Ich werde vom Hügel her Ausschau halten. Felsen, Sträucher, was auch immer euch verbergen könnte – nutzt es. Klettert meinetwegen auf irgendeinen Scheißbaum. Lasst euch einfach nicht blicken.« Sie sieht uns alle nacheinander an. Pike weigert sich störrisch, ihrem Blick zu begegnen.
    »Nehmt eure Gewehre, Messer – was immer ihr habt – mit. Aber denkt dran: Wir kämpfen nur, wenn es nicht anders geht. Unternehmt nichts, bevor ich euch ein Zeichen gebe, okay? Niemand rührt sich. Niemand atmet, hustet, niest oder furzt.

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