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Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition)

Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition)

Titel: Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
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Zombies.
    »Kommst du, Lu?«, frage ich.
    »Was?« Sie wirkt erschrocken, als hätte ich sie geweckt. Dann sagt sie schnell: »Ich komme.«
    Sie wirft noch einen letzten Blick auf die Mauer, bevor sie uns folgt. Ihr Gesicht sieht besorgt aus.
    Die Stadt Waterbury scheint ausgestorben, zumindest aus dieser Entfernung: Aus den Fabrikschornsteinen steigt kein Rauch auf; keine Lichter leuchten aus den verdunkelten, gläsernen Hochhäusern. Es ist die leere Hülle einer Stadt, fast wie bei den Ruinen, an denen wir in der Wildnis vorbeigekommen sind. Nur, dass sich der Verfall diesmal jenseits der Mauer befindet.
    Und ich frage mich, was genau Lu daran Angst macht.
    Als wir die Ebene erreichen, wird der Geruch penetrant, fast unerträglich: der Gestank nach Tausenden ungewaschenen Körpern und ungewaschenen hungrigen Mündern, nach Urin, heruntergebrannten Feuern und Tabak. Julian hustet und murmelt: »Meine Güte.« Ich halte mir den Ärmel vor den Mund und versuche hindurchzuatmen.
    Der Rand des Lagers ist von großen Metallfässern und alten verrosteten Mülltonnen umgeben, in denen Feuer brennen. Um die Feuer drängen sich Menschen, die dort kochen oder sich die Hände wärmen. Sie beäugen uns misstrauisch, als wir vorbeigehen. Es wird sofort überdeutlich, dass wir nicht willkommen sind.
    Selbst Raven wirkt unsicher. Es ist nicht klar, wo wir hinsollen oder mit wem wir reden könnten oder ob es hier im Lager überhaupt irgendeine Art von Organisation gibt. Als der Horizont schließlich die Sonne verschluckt, wird aus der Menge eine Ansammlung von Schatten – Gesichter, die von den flackernden Lichtern grotesk angestrahlt und verzerrt werden. Aus Wellblech und Metallresten sind hastig errichtete Unterkünfte entstanden; andere Leute haben provisorische Zelte aus dreckigen Laken gebaut. Wieder andere liegen einfach so zusammengerollt auf dem Boden und drängen sich Wärme suchend aneinander.
    »Und?«, fragt Dani. Ihre Stimme ist laut, herausfordernd. »Was jetzt?«
    Raven will ihr gerade antworten, als plötzlich ein Junge gegen sie prallt und sie beinahe umreißt. Tack streckt die Hand aus, um sie zu stützen, und bellt: »Hey!«
    Der Junge, der gegen Raven geschleudert wurde – mager, mit dem vorspringenden Unterkiefer einer Bulldogge –, würdigt sie keines Blickes. Er stürzt bereits zurück zu einem dreckigen roten Zelt, vor dem sich eine kleine Menschenmenge versammelt hat. Ein Mann – älter, mit nacktem Oberkörper unter einem langen, flatternden Wintermantel – steht mit geballten Fäusten da, das Gesicht wutverzerrt.
    »Du dreckiges Schwein!«, stößt er hervor. »Ich bring dich verdammt noch mal um.«
    »Bist du verrückt?« Bulldogges Stimme klingt überraschend schrill. »Was zum Teufel …«
    »Du hast meine verdammte Dose geklaut. Gib’s zu. Du hast meine Dose geklaut.« In den Mundwinkeln des alten Mannes hat sich Spucke angesammelt. Seine Augen sind vor Wut weit aufgerissen. Er dreht sich um, wendet sich an die Menge. Dann hebt er die Stimme. »Ich hatte eine ganze Dose Thunfisch, noch ungeöffnet. Direkt da bei meinen Sachen. Er hat sie gestohlen.«
    »Ich hab sie überhaupt nicht angerührt! Du spinnst ja.« Bulldogge wendet sich ab. Der Mann in dem zerfetzten Mantel stößt einen Wutschrei aus.
    »Du lügst!«
    Er springt. Einen Augenblick scheint er in der Luft zu schweben, sein Mantel flattert hinter ihm wie große ledrige Flügel einer Fledermaus. Dann landet er auf dem Rücken des Jungen und wirft ihn zu Boden. Augenblicklich wird die Menge zu einem Sturm, schreit, drängt vorwärts, feuert die Kämpfenden an. Der Junge dreht sich auf den Mann, setzt sich rittlings auf ihn, schlägt auf ihn ein. Dann wirft der ältere Mann ihn ab und drückt das Gesicht des Jungen in den Dreck. Er schreit, aber seine Worte sind unverständlich. Der Junge schlägt um sich und es gelingt ihm, den alten Mann abzuschütteln, der seitlich gegen ein Metallfass stößt. Der Mann schreit auf, offenbar brennt das Feuer im Fass schon lange. Das Metall muss glühend heiß sein.
    Jemand schubst mich von hinten und ich lande beinahe auf der Erde. Julian kann mich gerade noch am Arm packen, bevor ich hinfalle. Die Menge brodelt jetzt. Die Stimmen und Körper sind eins geworden, wie dunkles Wasser, in dem ein vielköpfiges, vielarmiges Monster haust.
    Das ist nicht die Freiheit. Das ist nicht die neue Welt, die wir uns vorgestellt haben. Das kann sie nicht sein. Das ist ein Albtraum.
    Ich dränge mich hinter

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