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Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition)

Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition)

Titel: Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
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will.
    »Ich komme wieder«, sage ich zu Grace.
    Ich bin schon beinahe um die Ecke gebogen, als sie etwas sagt.
    »Ich erinnere mich an dich.« Ihre Stimme ist nicht viel lauter als ein Flüstern. Ich drehe mich überrascht um. Aber sie flitzt bereits zwischen den Bäumen hindurch und verschwindet, bevor ich etwas entgegnen kann.

lena
    A
n diesem Tag gibt es eine doppelte Morgenröte: ein verrauchtes Glühen sowohl am Horizont als auch hinter uns, über den Bäumen, wo das Feuer weiter schwelt. Die Wolken und der dahinziehende schwarze Rauch sind kaum voneinander zu unterscheiden.
    In der Dunkelheit und dem Chaos haben wir zuerst nicht gemerkt, dass nicht nur Pike fehlt, sondern auch Henley. Dani will zurückgehen und nach ihren Leichen suchen, aber das Feuer macht es unmöglich. Wir können noch nicht mal zurück, um nach den Dosen zu suchen, die ja sicher nicht verbrannt sind, oder nach anderen Vorräten, die das Feuer vielleicht überstanden haben.
    Stattdessen gehen wir weiter, sobald der Himmel hell ist.
    Wir gehen schweigend, in einer geraden Reihe, die Blicke zu Boden gerichtet. Wir müssen das Lager in Waterbury so bald wie möglich erreichen – keine Umwege, keine Pausen, keine Erkundungen in Ruinen alter Städte, aus denen schon längst alle nützlichen Vorräte geklaubt wurden. Alle sind nervös.
    In einer Hinsicht können wir von Glück reden: Julian und Tack hatten Ravens Landkarte dabei. Sie wurde daher nicht mit dem Rest unserer Vorräte vernichtet.
    Tack und Julian gehen nebeneinander am Kopf der Schlange und bleiben dann und wann stehen, um die Anmerkungen zu besprechen, die sie auf der Karte gemacht haben. Trotz allem, was passiert ist, erfüllt es mich mit Stolz zu sehen, wie Tack Julian um Rat fragt – und auch mit Genugtuung, weil ich weiß, dass Alex das auch aufgefallen sein wird.
    Alex bildet natürlich mit Coral das Schlusslicht.
    Es ist warm – so warm, dass ich meine Jacke ausgezogen und mein langärmliges T-Shirt bis zu den Ellbogen hochgekrempelt habe – und die Sonne verteilt ihr Licht großzügig. Es ist kaum zu glauben, dass wir vor wenigen Stunden angegriffen wurden, abgesehen davon, dass Pikes und Henleys Stimmen in den gemurmelten Gesprächen fehlen.
    Julian ist vor mir. Alex ist hinter mir. Also gehe ich weiter – erschöpft, immer noch mit dem Geschmack nach Rauch im Mund, mit brennender Lunge.
    Lu hat uns gesagt, dass Waterbury der Beginn einer neuen Ordnung ist. Vor der Stadtmauer ist ein riesiges Lager entstanden und viele der Stadtbewohner sind geflohen. Teile von Waterbury sind komplett evakuiert worden; andere Bereiche der Stadt sind zum Schutz vor den Invaliden jenseits der Mauer abgeschottet worden.
    Lu hat gehört, dass das Invalidenlager beinahe selbst eine Stadt ist: Alle packen mit an, alle helfen sich gegenseitig, Unterkünfte zu reparieren, Nahrung zu finden und Wasser zu holen. Bisher ist es von Vergeltungsmaßnahmen verschont geblieben, zum Teil auch deshalb, weil niemand mehr da ist, der Vergeltung üben könnte. Die Büros der Stadtverwaltung sind zerstört und der Bürgermeister und seine Stellvertreter verjagt worden.
    Dort werden wir uns Unterkünfte aus Ästen und geborgenen Ziegelsteinen bauen und schließlich ein Zuhause finden.
    In Waterbury wird alles gut werden.
    Die Bäume werden langsam weniger und wir kommen an alten, mit Graffiti besprühten Bänken und schimmelfleckigen Unterführungen vorbei; ein komplettes Dach liegt auf einer Wiese, als wäre der Rest des Hauses von der Erde verschluckt worden; es gibt Straßenabschnitte, die nirgendwohin führen und jetzt Teil einer unsinnigen Grammatik sind. Dies ist die Sprache der Welt davor  – einer Welt aus Chaos, Durcheinander, Glück und Verzweiflung –, bevor die Offensive Straßen in Raster, Städte in Gefängnisse und Herzen in Staub verwandelt hat.
    Wir wissen, dass wir uns unserem Ziel nähern.
    Am Abend, als die Sonne untergeht, kehrt die Nervosität zurück. Keiner von uns will noch eine Nacht allein und ungeschützt in der Wildnis verbringen, obwohl es uns erst mal gelungen ist, die Aufseher abzuhängen.
    Von weiter vorne ist ein Schrei zu hören. Julian hat sich inzwischen von Tack getrennt und geht neben mir, allerdings schweigen wir die meiste Zeit.
    »Was war das?«, frage ich ihn. Ich bin vor Müdigkeit ganz benommen. Ich kann an den Leuten vor mir nicht vorbeigucken, sehe aber, dass die Gruppe sich auf etwas verteilt, das aussieht, als wäre es mal ein Parkplatz gewesen. Der

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