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Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition)

Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition)

Titel: Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
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Coral steht vor mir, blass und hübsch, ihre Haare fließend hinter sich, den Arm erhoben – eine Vision.
    Sie hält einen Felsbrocken in der Hand.
    Sie holt aus, ihr Arm ist ein anmutiger, blasser Bogen, und ich denke: Sie bringt mich um.
    Dann stöhnt der Wachmann auf, der Arm um meine Taille erschlafft und seine Hand löst sich, als er zu Boden sinkt.
    Aber jetzt kommen sie von allen Seiten. Der Alarm kreischt immer noch und die Szenerie wird in Intervallen rot beleuchtet: zwei Wachleute zu unserer Linken; zwei Wachleute zu unserer Rechten. Drei Wachleute, Schulter an Schulter, die sich an die Mauer pressen, und uns den Weg hinüber versperren.
    Das Licht streift uns erneut und beleuchtet eine Metalltreppe hinter uns, die in die enge Kluft der städtischen Straßen hinunterführt.
    »Hier lang«, keuche ich. Ich strecke die Hand aus und ziehe Coral die Treppe runter. Damit haben die Wachen nicht gerechnet und es dauert einen Moment, bis sie reagieren. Als sie die Treppe erreichen, sind Coral und ich bereits auf der Straße. Jeden Moment werden weitere Wachen eintreffen, die der Alarm hergeführt hat. Aber wenn wir eine dunkle Ecke finden … irgendein Versteck, wo wir abwarten können …
    Nur wenige Straßenlampen brennen noch. Die Straßen sind dunkel. Es erklingen vereinzelte Gewehrschüsse, aber es ist klar, dass die Wachen willkürlich in die Gegend schießen.
    Wir biegen nach rechts ab, dann nach links, dann wieder nach rechts. Schritte trommeln auf uns zu. Weitere Patrouillen. Ich zögere und überlege, ob wir denselben Weg zurücklaufen sollen. Coral legt mir eine Hand auf den Arm und zieht mich zu einem Dreieck aus dichten Schatten: einer zurückgesetzten Haustür, an der es nach Katzenpisse und Zigarettenrauch riecht und die halb hinter einem Säulenvorbau verborgen liegt. Wir kauern uns in den Schatten. Eine Minute später laufen Menschen vorbei, wir hören das Summen von Walkie-Talkie-Stimmen und heftiges Atmen.
    »Der Alarm ist immer noch aktiv. Position vierundzwanzig meldet, dort sei ein Durchbruch erfolgt.«
    »Wir warten auf Verstärkung, bevor wir die Suche starten.«
    Sobald sie vorbei sind, wende ich mich an Coral.
    »Was zum Teufel hast du gemacht?«, frage ich. »Warum bist du mir gefolgt?«
    »Du hast gesagt, ich soll dir Deckung geben«, entgegnet sie. »Ich bin in Panik geraten, als ich den Alarm gehört habe. Ich dachte, du wärst in Schwierigkeiten.«
    »Was ist mit Bram?«, frage ich.
    Coral schüttelt den Kopf. »Ich weiß es nicht.«
    »Du hättest das Risiko nicht eingehen sollen«, sage ich mit scharfer Stimme. Dann füge ich hinzu: »Danke.«
    Ich will mich aufrichten, aber Coral hält mich zurück.
    »Warte«, flüstert sie und hebt einen Finger an die Lippen. Dann höre ich es auch: weitere Schritte, die sich in die entgegengesetzte Richtung bewegen. Zwei schnell gehende Gestalten laufen an uns vorbei.
    Eine von ihnen, ein Mann, sagt: »Ich weiß nicht, wie du es so lange in diesem Dreck ausgehalten hast … Ich kann dir sagen, ich hätte das nicht geschafft.«
    »Es war nicht leicht.« Die zweite Gestalt ist eine Frau. Ihre Stimme kommt mir bekannt vor.
    Sobald sie außer Sichtweite sind, stupst Coral mich an. Wir müssen hier weg, es wird bald nur so vor Patrouillen wimmeln; wahrscheinlich werden sie auch die Straßenlaternen einschalten, um die Suche zu erleichtern.
    Wir müssen Richtung Süden. Da kommen wir zurück ins Lager.
    Wir bewegen uns langsam und schweigend, bleiben in der Nähe der Häuser, wo wir uns leicht in Gassen und Hauseingänge ducken können. Ich verspüre dieselbe lähmende Angst wie neulich, als Julian und ich durch die Tunnel geflüchtet sind und uns einen Weg durch den Untergrund suchen mussten.
    Plötzlich gehen alle Straßenlaternen gleichzeitig an. Es ist, als wären die Schatten ein Ozean, dessen Wasser sich zurückgezogen und eine karge, zerfurchte Landschaft aus leeren Straßen zurückgelassen hätte. Coral und ich ducken uns instinktiv in einen dunklen Hauseingang.
    »Scheiße«, murmelt sie.
    »Das hatte ich befürchtet«, flüstere ich. »Wir müssen die Gassen nehmen. Wir halten uns an die dunkelsten Stellen, die wir finden können.«
    Coral nickt.
    Wir bewegen uns wie Ratten, flitzen von Schatten zu Schatten, verstecken uns in den engsten Ecken – in Gassen und Ritzen, dunklen Hauseingängen und hinter Müllcontainern. Noch zweimal hören wir Patrouillen auf uns zukommen und ducken uns in die Schatten, bis das Rauschen der

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