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Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition)

Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition)

Titel: Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
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bisschen von ihr weg, suche die Mauer ab, versuche zu erkennen, ob die Schatten, die ich sehe, Menschen sind oder nur Trugbilder der Nacht.
    Ich sehe auf die Uhr, dann noch mal. Plötzlich scheinen die Minuten vorwärtszustolpern. 23:50. 23:53. 23:55.
    Jetzt.
    Meine Kehle ist zugeschnürt. Ich kann kaum schlucken und muss mir zweimal über die Lippen lecken, bevor ich einen Pfiff zustande bringe.
    Mehrere lange, quälende Sekunden geschieht nichts. Es hat keinen Sinn, noch weiter so zu tun, als hätte ich keine Angst. Mein Herz hämmert in meiner Brust und meine Lunge fühlt sich an, als würde sie zusammengepresst.
    Dann sehe ich Bram. Als er auf die Mauer zurennt, läuft er nur einen Augenblick durch den Strahl des Scheinwerfers und wird angeleuchtet, festgehalten, wie ein Standbild; dann verschluckt ihn die Dunkelheit erneut. Eine Sekunde später ertönt ein fürchterliches Klirren und der Scheinwerfer erlischt.
    Sofort bin ich auf den Beinen und renne auf die Mauer zu. Ich nehme Schreie wahr, kann aber keine Wörter ausmachen, konzentriere mich auf nichts weiter als die Mauer und den Alarmturm dahinter. Jetzt, wo der Scheinwerfer aus ist, zeichnet sich der Turm vor dem Mondschein und ein paar verstreuten Lichtern der Stadt deutlicher ab. Fünf Meter von der Mauer entfernt drücke ich mich an den Stamm einer jungen Eiche. Ich stecke die Flasche zwischen meine Schenkel und versuche ein Streichholz anzuzünden. Das erste erlischt sofort wieder.
    »Los, komm schon«, murmele ich. Meine Hände zittern. Auch Streichholz zwei und drei brennen nicht.
    Abgehacktes Gewehrfeuer durchbricht die Stille. Die Schüsse klingen willkürlich – die Aufseher schießen blindlings und ich spreche ein schnelles Gebet, dass Bram wieder zwischen den Bäumen ist, verborgen und in Sicherheit, und Wache hält, damit der Rest des Plans funktioniert.
    Streichholz vier brennt endlich. Ich nehme die Flasche, halte den Streichholzkopf an den Lumpen und sehe zu, wie dieser weiß und heiß in Flammen aufgeht.
    Dann trete ich aus dem Schutz der Bäume, atme einmal tief durch und werfe.
    Die Flasche fliegt auf die Mauer zu, ein schwindelerregender Feuerkreis. Ich wappne mich für die Explosion, aber sie bleibt aus. Der immer noch brennende Lumpen löst sich aus dem Flaschenhals und segelt zu Boden. Ich bin wie hypnotisiert und beobachte seine Bahn – wie ein glühender, verletzter Vogel mit Schlagseite, der ins dichte Gestrüpp am Fuß der Mauer stürzt. Die Flasche zerschellt harmlos am Beton.
    »Was, zum Teufel? Was ist denn jetzt bitte los?«
    »Sieht aus wie Feuer.«
    »Wahrscheinlich wegen deiner verdammten Zigarette.«
    »Hör auf hier rumzumeckern und hol mir lieber einen Schlauch.«
    Immer noch kein Alarm. Die Wachen sind wahrscheinlich an Zerstörungen durch die Invaliden gewöhnt und weder ein beschädigter Scheinwerfer noch ein kleines Feuer bereiten ihnen größere Sorgen. Möglicherweise spielt es gar keine Rolle – Alex’, Pippas und Beasts Ablenkung ist wichtiger, näher an der entscheidenden Stelle –, aber ich werde die Angst nicht los, dass vielleicht auch ihr Plan misslungen ist. Dann ist die Stadt weiterhin voller alarm- und einsatzbereiter aufmerksamer Wachen.
    Das würde bedeuten, dass Raven, Tack, Julian und die anderen einem Gemetzel entgegengehen.
    Plötzlich bin ich wieder auf den Beinen und renne auf eine Eiche in der Nähe der Mauer zu, die aussieht, als könnte sie mein Gewicht tragen. Ich weiß nur, dass ich über die Mauer muss, um selbst den Alarm auszulösen. Ich stelle meinen Fuß auf einen Knoten im Stamm und ziehe mich hoch. Aber ich bin schwächer als im letzten Herbst, als ich täglich schnell und problemlos zu den Nestern hinaufgeklettert bin, und lande wieder auf der Erde.
    »Was machst du da?«
    Ich fahre herum. Coral ist zwischen den Bäumen aufgetaucht.
    »Und was machst du da?« Ich wende mich wieder dem Baum zu und versuche es noch mal, diesmal probiere ich einen anderen Halt aus. Keine Zeit, keine Zeit, keine Zeit.
    »Du hast gesagt, ich soll dich decken«, sagt sie.
    »Sprich leise«, flüstere ich heftig. Ich bin überrascht, dass sie sich wirklich die Mühe gemacht hat, mir zur folgen. »Ich muss über die Mauer.«
    »Und dann?«
    Ich starte einen dritten Versuch – und es gelingt mir, die Zweige über meinem Kopf mit den Fingerspitzen zu streifen –, bevor meine Beine nachgeben und ich wieder zurück auf den Boden springe. Mein vierter Versuch ist schlimmer als die ersten drei. Ich

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