Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition)
klingt gedämpft und fremd. Als ich ihm eine Hand auf die Brust lege, schiebt er sie weg. Er riecht leicht nach Alkohol.
Ich wirbele zu Alex herum. »Was zum Teufel hast du getan?«
Sein Blick huscht nur einen Moment zu mir. »Es war ein Versehen«, sagt er unbewegt. »Ich habe zu hoch gezielt.«
»Blödsinn«, stoße ich hervor. Ich wende mich wieder an Julian. »Komm«, sage ich leise. »Lass uns reingehen. Wir machen dich sauber.«
Er nimmt die Hand von seiner Nase, dann hebt er sein Hemd ans Gesicht und wischt sich das restliche Blut von der Lippe. Jetzt ist das Hemd mit dunklen Flecken überzogen, die in der Nacht fast schwarz glitzern. »Auf keinen Fall«, sagt er, immer noch ohne mich anzusehen. »Wir haben gerade erst angefangen. Nicht wahr, Alex?«
»Julian …«, bettele ich. Alex unterbricht mich.
»Lena hat Recht«, sagt er betont leichthin. »Es ist schon spät. Wir sehen hier draußen kaum noch was. Wir können ja morgen weitermachen.«
Julians Stimme ist ebenfalls beiläufig – aber ich kann einen deutlichen Anflug von Wut heraushören, eine Bitterkeit, die ich nicht von ihm kenne. »Was du heute kannst besorgen …«
Ein gespanntes und gefährliches Schweigen breitet sich zwischen ihnen aus.
»Julian, bitte.« Ich strecke meine Hand nach seiner aus, aber er schüttelt mich ab. Ich drehe mich wieder zu Alex, damit er mich ansieht und den Blickkontakt zu Julian abbricht. Die Anspannung zwischen ihnen steigt weiter an, erreicht einen Höchststand, wie etwas Schwarzes und Mörderisches, das unter der Luftoberfläche aufsteigt. »Alex.«
Schließlich sieht Alex mich an und ganz kurz sehe ich einen überraschten Ausdruck in seinen Augen – als wäre ihm gar nicht bewusst gewesen, dass ich hier bin, oder als würde er mich gerade erst wahrnehmen. Dann folgt ein Ausdruck des Bedauerns und da ist die Anspannung einfach weg und ich kann wieder atmen.
»Heute Nacht nicht«, sagt Alex kurz angebunden. Er wendet sich ab und will in den Wald gehen.
Im selben Augenblick, noch bevor ich irgendwie reagieren oder aufschreien kann, stürmt Julian los und springt ihn von hinten an. Alex stürzt auf den Beton und plötzlich fauchen und grunzen sie, kugeln übereinander, kämpfen sich gegenseitig zu Boden. Dann schreie ich doch – ihre beiden Namen und Halt und Bitte .
Julian sitzt auf Alex. Er hebt die Faust; ich höre den dumpfen Knall, als er sie gegen Alex’ Wange sausen lässt. Alex spuckt ihn an, bekommt mit einer Hand Julians Kiefer zu fassen, drückt seinen Kopf zurück und wirft Julian ab. Ich glaube, Rufe aus der Ferne zu hören, aber ich kann mich nicht darauf konzentrieren, kann nichts weiter tun als zu schreien, bis ich heiser bin. Ich sehe Lichter am Rand meines Blickfelds aufblitzen, als wäre ich diejenige, die geschlagen würde, als würden Farbspritzer vor meinen Augen explodieren.
Alex gewinnt die Oberhand und drückt Julian zu Boden. Er holt zweimal kräftig aus und ich höre ein fürchterliches Knacken. Das Blut strömt ungehindert über Julians Gesicht.
»Alex, bitte!« Jetzt weine ich. Ich will ihn von Julian wegziehen, aber vor Angst bin ich wie gelähmt, stehe wie angewurzelt da.
Entweder hört Alex mich nicht oder er hat beschlossen, mich zu ignorieren. So habe ich ihn noch nie gesehen. Sein wutverzerrtes Gesicht hat sich im Mondlicht in etwas Unbändiges, Unbarmherziges und Entsetzliches verwandelt. Ich kann noch nicht mal mehr schreien, kann nichts weiter tun, als krampfhaft zu weinen und zu spüren, wie mir Übelkeit die Kehle hinaufkriecht. Alles ist so unwirklich, wie in Zeitlupe.
Dann brechen Tack und Raven im Schein eines plötzlichen Lichts zwischen den Bäumen hervor – schwitzend, außer Atem, mit Lampen – und Raven schreit und packt mich an der Schulter und Tack zieht Alex von Julian herunter – »Was machst du da, verdammte Scheiße?« – und alles fängt an, sich wieder in normalem Tempo zu bewegen. Julian hustet einmal und legt sich zurück. Ich mache mich von Raven los und renne zu ihm, falle auf die Knie. Mir ist sofort klar, dass seine Nase gebrochen ist. Sein Gesicht ist ganz dunkel vom Blut und seine Augen sind zwei schmale Schlitze, als er versucht sich aufzusetzen.
»Hey.« Ich lege ihm eine Hand auf die Brust und schlucke den Würgereiz in meiner Kehle herunter. »Hey, ganz langsam.«
Julian entspannt sich wieder. Ich spüre sein Herz unter meiner Handfläche hämmern.
»Was ist passiert?«, schreit Tack.
Alex steht ein Stück von Julian
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