Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition)
weitläufig und sauber ist: Regale, ein paar wackelige Tische, ein Petroleumkocher. Hinter dem Kocher ist noch ein dunkler Durchgang, der zu weiteren Räumen führt. Ein wohliges Gefühl blitzt in mir auf. Der Stützpunkt erinnert mich an den in der Nähe von Rochester.
»Hier müsste es irgendwo Lampen geben.« Raven macht ein paar Schritte in den Raum hinein. Der Lichtstrahl fährt im Zickzack über den sauber gefegten Betonboden und ich sehe ein kleines Paar leuchtender Augen, ein Aufblitzen grauen Fells. Mäuse.
In einer Ecke findet Raven ein paar verstaubte batteriebetriebene Lampen. Drei Lampen sind nötig, um die Dunkelheit aus dem Raum zu vertreiben. Normalerweise würde Raven darauf bestehen, Energie zu sparen, aber ich glaube, sie hat wie wir alle das Gefühl, dass wir heute Abend so viel Licht wie möglich brauchen. Sonst würden die Bilder aus dem Lager mit seidenen Schattenfingern nach uns greifen: all diese Menschen, hilflos in der Falle. Wir müssen uns stattdessen auf dieses helle, kleine unterirdische Zimmer konzentrieren und auf seine beleuchteten Ecken und hölzernen Regale.
»Riechst du das?«, fragt Tack Bram. Er nimmt eine Lampe und geht damit in den nächsten Raum. »Bingo!«, ruft er.
Raven kramt bereits in ihrem Bündel und packt Vorräte aus. Coral hat große Metallkrüge mit Wasser auf einem der niedrigen Regale entdeckt. Sie hat sich gebückt und trinkt dankbar. Wir anderen folgen Tack in das zweite Zimmer.
Hunter fragt: »Was ist das?«
Tack steht da und seine erhobene Lampe beleuchtet die Wand und die wabenförmigen hölzernen Regale. »Ein alter Weinkeller«, sagt er. »War mir doch so, als hätte ich Alk gerochen.« Zwei Flaschen Wein und eine Flasche Whiskey sind noch da. Tack schraubt sofort die Whiskeyflasche auf und nimmt einen Schluck, bevor er sie Julian anbietet, der die Flasche nach einem Sekundenbruchteil des Zögerns entgegennimmt. Ich will protestieren – ich bin sicher, würde sogar beschwören, dass er noch nie Alkohol getrunken hat –, aber bevor ich etwas sagen kann, hat er schon einen großen Schluck genommen und es erstaunlicherweise geschafft, ihn ohne zu würgen runterzubekommen.
Tack lässt eins seiner seltenen Lächeln sehen und klopft Julian auf die Schulter. »Du bist in Ordnung«, sagt er.
Julian wischt sich mit dem Handrücken über den Mund. »Das war nicht schlecht«, sagt er leicht keuchend und Tack und Hunter lachen. Alex nimmt Julian die Flasche wortlos ab und trinkt.
Auf einmal überkommt mich die ganze Erschöpfung der letzten paar Tage. Hinter Tack stehen mehrere schmale Pritschen und ich wanke zu der nächstgelegenen hinüber.
»Ich glaube …«, hebe ich an, als ich mich hinlege und die Knie an die Brust ziehe. Es gibt weder eine Decke noch ein Kissen auf der Pritsche, aber ich habe trotzdem das Gefühl, in etwas Himmlisches zu sinken: eine Wolke, eine Feder. Nein. Ich bin die Feder. Ich schwebe hinweg … ich schlafe eine Runde , will ich den Satz beenden, aber ich bekomme die Worte nicht mehr heraus, bevor ich es schon tue.
In völliger Dunkelheit wache ich keuchend auf. Einen Moment bekomme ich Panik, denke, ich bin wieder mit Julian in der unterirdischen Zelle. Ich setze mich mit hämmerndem Herzen auf und erst, als ich Coral auf der Pritsche neben mir murmeln höre, fällt mir wieder ein, wo ich bin. Im Zimmer stinkt es und neben Corals Bett steht ein Eimer. Sie muss sich vorhin übergeben haben.
Ein Lichtkegel dringt durch die offene Tür und ich höre gedämpftes Gelächter aus dem anderen Raum.
Jemand hat mich im Schlaf mit einer Decke zugedeckt. Ich schiebe sie ans Fußende der Pritsche und stehe auf. Ich habe keine Ahnung, wie spät es ist.
Hunter und Bram sitzen im Nebenzimmer, die Köpfe lachend zusammengesteckt. Sie wirken leicht verschwitzt und haben die glasigen Augen Betrunkener. Die fast leere Whiskeyflasche steht zwischen ihnen neben einem Teller mit den Resten dessen, was wohl das Abendessen war: Bohnen, Reis, Nüsse.
Sobald ich den Raum betrete, verstummen sie, und ich weiß, dass das, worüber sie auch immer gelacht haben, etwas Privates war.
»Wie spät ist es?«, frage ich und gehe zu den Wasserkrügen. Ich hocke mich hin und hebe einen Krug direkt an den Mund, ohne mir die Mühe zu machen, das Wasser in einen Becher zu gießen. Meine Knie, Arme und mein Rücken schmerzen, mein Körper ist immer noch schwer vor Erschöpfung.
»Wahrscheinlich Mitternacht«, sagt Hunter. Ich habe also nur ein paar Stunden
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