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Requiem für eine Sängerin

Requiem für eine Sängerin

Titel: Requiem für eine Sängerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Corley
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Erinnerung meine Buße sein und die ständige Warnung, dass ich der Sünde fähig bin.» Als sie die Augen aufschlug, verschwamm der prachtvolle Garten vor ihrem Blick. Im Juni war es immer am schlimmsten, dieses Schuldgefühl, die Überzeugung, dass sie ihr Glück nicht verdiente, wo andere – speziell eine – gar nichts hatten.
    Zum Zeichen ihrer Bußfertigkeit ließ sie sich auf die Knie sinken, legte die Hände auf die Tischkante und stützte den Kopf darauf. «Bitte, lieber Gott. Vergib mir, was ich getan habe. Bitte lass es mich nicht büßen. Ich bereue aufrichtig, was ich getan habe, und weiß, ich habe mein heutiges Glück nicht verdient. Aber bitte, lieber Gott, nimm es mir nicht. Bestrafe mich nicht.»
    Als die Sonne ihr auf den Nacken schien und der Schwanz einer Katze ihren Knöchel liebkoste, spürte Katherine wieder, wie Gottes Liebe sie umgab und seine Barmherzigkeit ihre gequälte Seele beruhigte. Nach einer Weile drang die Kälte der Steinfliesen in ihre Knie ein und machte ihr bewusst, wie die Zeit verging. Sie lachte, ein wenig verlegen über sich selbst, und ging erfrischt und getröstet ins Haus zurück, bereit, die Woche zu beginnen.
     
    Am Dienstagabend war Katherines schlechtes Gewissen in Anbetracht der herrlichen Nachrichten vergessen. Sie hatte im Lehrerzimmer den Anruf erhalten, auf den sie gewartet hatte. Octavia Anderson, eine alte Schulfreundin, hatte sich gemeldet und zugesagt, dass sie bei der Aufführung des Verdi-Requiems durch den Schulchor den Sopranpart übernehmen würde. Miss Johnstone hatte dem Komitee gegenüber erwähnt, dass sie Octavia möglicherweise würde überreden können, da sie alte Freundinnen waren, aber bis der Anruf kam, hatte sie nicht zu hoffen gewagt, dass ihr Wunsch in Erfüllung gehen könnte.
    Octavia Anderson war mit einiger Verspätung zur bekannten Opernsängerin geworden und arbeitete sich langsam, aber sicher als potenzieller neuer Star ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit. Mit ihrer fremdartigen Schönheit und dem markanten Sopran, der mit zunehmendem Alter zur vollen Reife gelangte, war sie eine Berühmtheit. Als Schülerin hatte sie das De-Weir-Stipendium bekommen, das sie über die Royal Academy in den Chor der Welsh National Opera und von dort in ein paar Nebenrollen gebracht hatte. Ihre Statur und die Stimme prädestinierten sie geradezu für die Klassiker, doch sie hatte sich noch etwas gedulden müssen. Vor etwa vier Jahren nun hatte sie Publikum und Kritiker gleichermaßen überrascht, als sie in Tosca eingesprungen war, nachdem die Erstbesetzung sich am ersten Abend während einer der Schlachtenszenen den Arm gebrochen hatte. Octavia hatte die Rolle selbstbewusst übernommen, und obwohl sie noch keine dreißig war, hatten einige Kritiker sie als jemanden bezeichnet, den man «im Auge behalten sollte».
    Seither hatte sie hart gearbeitet, anspruchsvollere Rollen bekommen und war mit immer enthusiastischeren Kritiken um die Welt gereist. Dass sie nun einwilligte, bei einer Verdi-Aufführung auf dem Lande mitzuwirken, war ein echter Coup.
    Eine glückliche Fügung wollte es, dass Judith Chase, die Dekanin der musikalischen Fakultät, gerade im Lehrerzimmer war, als der Anruf kam, und in der Mittagspause verschwanden Kate und sie ins White Lion, um den Erfolg zu feiern. Das erwies sich als schwierige Situation für die Schülerin Melanie White, die mit ihrem Freund Ron in der Saloon-Bar stand, während Miss Johnstone und Mrs. Chase ihre Drinks im Schankraum bestellten. Sie musste sich die nächsten vierzig Minuten vor den beiden verbergen und stand versteckt um die Ecke, gefährlich nahe bei der Dartscheibe.
    Nach der Chorprobe stattete Katherine dem Handi-Shopper einen Besuch ab. Dafür gab es normalerweise zwei mögliche Gründe: Entweder hatte sie einen außergewöhnlich guten Tag gehabt, dann gönnte sie sich etwas Besonderes, um ihn noch besser zu machen, oder es war ein besonders schlimmer Tag gewesen, und auch dann gönnte sie sich etwas, sozusagen zum Ausgleich. Sandy, die an der Kasse saß, sah auf den ersten Blick, dass Miss Johnstone einen ausgezeichneten Tag gehabt haben musste.
    «War es ein guter Tag, Miss Johnstone?», fragte sie, die mit sechzehn von der Downside abgegangen war – eine Schande für die Schule mit ihrem ausgezeichneten Ruf, aber ein außerordentlicher Erfolg für Sandy.
    «Ja, Sandy, ein ganz hervorragender. Sie werden es nicht glauben, aber Octavia Anderson hat eingewilligt, herzukommen und bei

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