Requiem für eine Sängerin
Hauses verlegt hatte, um das nächtliche (und hin und wieder auch nachmittägliche) Stöhnen, Seufzen und Kichern nicht mit anhören zu müssen, das ihren sorgsam abgesicherten Zustand der Zufriedenheit zu zerstören drohte. Miss Johnstone betrachtete diese Aktivitäten als reichlich übertrieben, aber als Vertreterin einer vergleichsweise seltenen Art – eine unverheiratete Jungfrau Mitte dreißig – wusste sie durchaus um ihre Unkenntnis der Geheimnisse jenseits der Mauer.
Am 7. Juni stand Kate schon im Morgengrauen auf, da sie wenigstens eine Stunde im Garten verbringen wollte, ehe sie zur Schule ging. Sie hatte beschlossen, ein Dickicht aus Lupinen und Rittersporn, das am westlichen Zaun wucherte, von Blattläusen zu befreien. Tau netzte ihre bloßen Waden und tränkte ihre Stoffschuhe, während sie zwischen den Ritterspornen der Sorte «Butterball» dahinschritt, die sie wahllos zwischen ihre alten Favoriten «Mullion» und «Pink Sensation» gepflanzt hatte. Das helle Beige der Butterballs machte sich gut zwischen den blauen und rosafarbenen Blüten. An der Einfassung des Beets hatte sie zwischen den blassblauen und rosa Vergissmeinnicht Schleifen- und Kornblumen wachsen lassen. Sie trat vorsichtig dazwischen und mied auch die grünen Schösslinge von Bartnelken und Physostegia, die eine spätere Blütenpracht versprachen.
Das Wetter war wunderschön; schon brannte auf der Südseite die Sonne auf die Beete, aber hier, auf der Westseite, hatte sie noch kühlen, tauigen Schatten. Sie trug ihre sommerliche Gartenkleidung – abgeschnittene Jeans, ein altes Baumwollhemd und reißfeste Profi-Gartenhandschuhe. Ihr rundes, freundliches Gesicht war ungeschminkt, und die kurzen, rotgoldenen Locken hielt sie mit einem Haarband aus der Stirn. Ihre Schüler hätten in der behänden jungen Frau, die sich geschmeidig bückte und aufrichtete, nur mit Mühe ihre ordentliche, steife Mathematiklehrerin erkannt.
Kate band die Stauden an Stöcken fest, denn der Wetterbericht hatte fürs Wochenende einen Umschwung angekündigt. Regen und Wind konnten ihr Arrangement ruinieren – die schweren, teilweise an die zwei Meter hohen, blütenträchtigen Stängel abknicken und die empfindlichen Pflanzen darunter beschädigen. Sie streifte einen Handschuh ab, bückte sich, zerdrückte ein glänzendes neues Blatt, rieb die befleckten Finger aneinander und schnupperte daran – der Geruch würde diese Ecke des Gartens in den kommenden Monaten durchdringen.
Es war Zeit für das Frühstück. Heute konnte sie draußen sitzen, auf der schmiedeeisernen Bank, die sie auf einem kleinen gepflasterten Areal zwischen den Beeten aufgestellt hatte, zusammen mit einem grün gestrichenen, reich verzierten schmiedeeisernen Tisch. Die Katzen hatten sich bereits auf dem erwärmten Metall ausgestreckt.
Der starke Tee tat gut, die Sonne schien ihr heiß ins Gesicht, Bienen summten in dem Blütenmeer, eine Katze hatte sich an sie gekuschelt und schnarchte leise. Die anderen hatten je nach Geschmack um Kates bloße Füße herum Sonne oder Schatten gesucht. In der Ferne lieferte das Brummen der Tangente einen leisen Kontrapunkt zu dem Schnurren und Summen. Als einer der Zwillinge mit einem Zweig noch nicht reifen grüngrauen Lavendels in einem der Tontöpfe neben ihr spielte, stieg der würzige Duft zu ihr auf. Sie konnte sich, so dachte sie, unglaublich glücklich schätzen. Sie mochte allein und kinderlos sein – Letzteres schmerzte mehr als Ersteres –, aber sie hatte so viel; und während man ihren Normalzustand eher mit zufrieden als mit glücklich beschreiben konnte, gab es Augenblicke, wie diesen, die sie vollendet fand. Sie war gesund, gut gestellt und hatte liebevolle Eltern und eine Schwester, die zugleich ihre beste Freundin war. Sie hatte Interessen, die sie ausfüllten, und treue Gefährten. Alles in allem konnte sie sich nicht beschweren.
Katherine sprach ihr Morgengebet und dankte Gott für alles, was er ihr gegeben hatte, am meisten aber dafür, dass sie jüngst ihren Glauben wieder gefunden hatte. Sie betrachtete alle Freuden und alles Glück als Gottes Gabe und wusste, sie durfte sich als gesegnet betrachten. Als sie im Geiste ihre täglichen Gebete durchging – das Vaterunser, Dankgebete, Bittgebete für ihre Verwandten und Freunde –, kam sie schließlich zur Bitte um Vergebung.
«Lieber Gott», betete sie, und das Herz schnürte sich ihr zusammen, «bitte vergib mir. Lass mich nicht vergessen, was ich getan habe, lass die
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