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Requiem fuer einen Henker

Requiem fuer einen Henker

Titel: Requiem fuer einen Henker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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»Ich muss sagen, er war Mittelklasse. Im Bett, meine ich. Er ist Banker, sagte ich das schon? Morgens um sechs Uhr raus und joggen an der Außenalster. Mindestens sechstausend Meter, sonst stimmte irgendetwas nicht. Dann rasieren, dann duschen, dann ab in die Bank. Und das alles bei ständig dröhnendem Radio. Na ja, das ging ja noch. Wirkte sehr intelligent und konnte gut Geschichten erzählen. Na ja, er kam immer öfter. Dann brachte er einen Koffer voll Krimskrams mit und blieb. Ziemlich bald merkte ich, dass es mit der Intelligenz doch nicht so weit her war, weil seine Geschichten sich schnell wiederholten. Er brauchte jeden Morgen länger für seinen Schnurrbart als ich für die ganze Morgentoilette. Vor allem aber hatte er Allergien. Gegen Hundehaare und Orangensaft, gegen Zigarettenrauch, gegen Aspirin, gegen die Luft in Flugzeugen und so weiter und so fort. Auf jeden Fall bekam er dauernd ein fleckiges Gesicht, und sobald er einen neuen Fleck entdeckte, flippte er aus. Im Bett wurde er auch nicht aufregender, weil sein Repertoire ziemlich bescheiden war. Und vorgestern kam er tatsächlich mit Pantoffeln an, und nun ist Schluss.«
    »Und wenn er nun depressiv wird?«
    Sie lachte. »Dann wird er wahrscheinlich neue Flecken kriegen. Sag mal, kannst du mir nicht morgen mal die Stelle zeigen, an der Guttmann erschossen wurde?«
    Ich reagierte gar nicht darauf, und sie wurde ein bisschen verlegen, murmelte, sie sei müde, und verschwand die Treppe hinauf.
    Ich hockte mich an den Schreibtisch und hörte eine Weile Ulla Meinecke zu, die Liebe ich dich zu leise sang. Dann verlor ich mich in meinen Gedanken. Gegen Mitternacht fing Krümel an zu maulen, und so zogen wir hinauf in das Schlafzimmer; sie legte sich wie immer auf den Teppich neben meine Matratze und sah mir zu, wie ich las. Es war Hermann Hesses Die Welt der Bücher, genau das, was ich brauchte, um diese scheußliche Welt für eine Weile aus dem Kopf zu bekommen. Die Käuze im Turm der alten Wehrkirche klagten, und irgendwann schlief ich ein.
    Als ich aufwachte, war die Baronin im Bad und rief durch die Tür: »Ich mache gleich Frühstück.« Später frühstückten wir ganz wortlos.
    »Ich will jetzt sehen, wo er erschossen wurde.« Wir standen in der Küche, ich wusch ab, und sie trocknete die Teller.
    Ich nickte langsam. Der Wind stand immer noch steil auf West, der Schnee war zu schmutzig-grauen Hecken abgeschmolzen, in der Hecke unten im Garten tummelten sich Meisen und Spatzen, und am Himmel jagten die Wolken vorbei.
    Der Weg kam mir heute viel länger vor. Am Fuße der Steigung, wo es geschehen war, hielt ich an.
    »Die Baumkronen dort links gehören schon zu der Kieferngruppe, in die er gerast ist. Es lag noch nicht allzu viel Schnee, war aber sicher glatt genug, um ins Schleudern zu kommen. Aber nicht Guttmann. Ungefähr ab hier, am Beginn der Kurve, fuhr er geradeaus. Da rechts, siehst du die Baumkronen? Das sind sechs oder acht uralte Wacholderstämme. Da muss ein Auto gestanden haben, ein Mitsubishi Pajero. Von dort wurde geschossen.«
    »Warte einen Moment, ich mache mal von hier ein paar Aufnahmen.« Sie stieg aus und fotografierte mit einem Superweitwinkel, dann mit einem Tele sehr sorgfältig nach links und rechts. Dann stieg sie wieder ein. »Wenn sie dort auf Guttmann gewartet haben, dann bedeutet das doch vielleicht, dass sie ihn schon von Bonn bis hierher verfolgt haben, bis zu dir.«
    »Richtig.«
    »Offensichtlich hat er es aber nicht bemerkt. Sie müssen also wirklich Profis gewesen sein.«
    »Auch richtig.«
    »Das bedeutet aber auch, dass sie wussten, dass er auf der Rückfahrt diese Straße benutzen würde.«
    »Kein Kunststück. Jeder, der aus meinem Dorf nach Bonn fahren will, muss diese Straße nehmen.« Wir waren oben. Ich hielt an und parkte rückwärts in einen Feldweg ein.
    »Sieh genau hin. Da hat er die Fahrbahn verlassen, ist durch den Graben gepflügt und dann in die Kiefern.«
    Da lagen ein paar traurig aussehende rot-weiße Plastikfetzen herum, mit denen die Polizei die Unfallstelle abgeriegelt hatte.
    »Er ist in die Bäume gefahren, dann hochkant gegangen, dann auf das Dach gefallen. So auf dem Dach liegend hat er die zwei Wacholderstämme rasiert und ist dann - wieder auf den Rädern - in die zweite Kieferngruppe dort hinten gerast.«
    Es gab nicht mehr viel zu fotografieren, der Platz war vollkommen zertrampelt. Die Baronin war trotzdem sehr genau, stocherte im Schnee, fand ein kleines Blechteil und machte ein Foto

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