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Requiem fuer einen Henker

Requiem fuer einen Henker

Titel: Requiem fuer einen Henker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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hinunter, und in der Damenabteilung verschwand ich hastig durch einen Notausgang.
    Es dauerte vielleicht drei Sekunden, bis ein junger dürrer Rothaariger, einen Kopf größer als ich, stark schwitzend und hektisch durch die Tür geschossen kam. Ich stand direkt seitlich hinter der Tür am Treppenabsatz und lächelte ihm freundlich entgegen, und für den Bruchteil einer Sekunde war er offensichtlich vollkommen irritiert, dass ich dort so ruhig stand. Ich trat zuvorkommend beiseite, und er versuchte zu bremsen, schaute nicht auf die Stufe, verlor die Balance und fiel die Treppe hinunter.
    Ich bin wahrlich nicht brutal, aber das tat mir gut. Ich drehte mich einfach um und ging die Treppe hinauf, während von unten lautes Stöhnen zu hören war. Im nächsten Stock kam ich erneut an dem Jungverkäufer mit dem ferngelenkten Jeep vorbei. Er strahlte mir schon entgegen. Ich rannte an ihm vorbei und jagte die Rolltreppe abwärts. Ich verließ das Haus in einem Pulk mit Tüten beladener Hausfrauen und verschwand in der nächsten Bäckerei. Im Stehen trank ich eine Tasse Kaffee, ließ mir dann in der Buchhandlung gleich nebenan die Vorzüge des neuen Brockhaus erklären, kaufte am Kiosk eine Zeitung und arbeitete mich auf diese Weise allmählich bis zum Busbahnhof beim Hauptbahnhof vor. Dort schlenderte ich scheinbar ziellos umher und sprang dann plötzlich in den Bus nach Köln, in der letzten Zehntelsekunde, ehe die Türen sich zischend schlossen.
    In Köln blieb ich vorsichtig, stieg am Chlodwigplatz aus, schlenderte die Severinstraße entlang und stieg erst in ein Taxi, als ich mutterseelenallein und ganz langsam durch eine der kurzen Gassen in der Altstadt geschlichen war und niemand sich gezeigt hatte.
    Die Baronin wartete schon vor dem Haus des Anwalts. Sie war ganz aufgeregt und stolz und sagte: »Eine Frau war hinter mir her, eine junge, vollkommen unscheinbare Frau.«
    Wir meldeten uns an und gingen in ein Wartezimmer, das mich an das Wohnzimmer meiner Großmutter erinnerte.
    »Die Frau war sicher ein Lehrling oder so was. Die wurde richtig rot, als sie in das Treppenhaus gerast kam und mich da seelenruhig stehen sah. Ich hab’ sie angestrahlt und ganz freundlich gefragt: > Haben Sie ein Höschen geklaut, meine Liebe?< Sie hat kein Wort gesagt und ist einfach die Treppe runtergegangen, steif wie ein Ladestock. Danach habe ich sie nicht mehr gesehen.«
    Offenbar machte ihr das Spion-Spielen erheblich mehr Spaß als mir.
    Wir mussten eine Weile warten, bis Bethmann uns in sein Arbeitszimmer rufen ließ. Er hockte hinter dem Chaos auf seinem Schreibtisch und sah mit dem weit vorgereckten Hals aus wie ein kluger Rabe. Freundlich frage er: »Also, was habt ihr denn angestellt?«
    Sein gutmütiges Gesicht mit den vielen fröhlichen Fältchen wurde zunehmend ernster, je weiter ich berichtete, und seine Schultern kamen nach vorn wie zwei Höcker. Er schüttelte den Kopf und meinte schließlich: »Kinder, das ist ja eine ekelhafte Geschichte. Haltet euch da bloß raus!« Dabei trommelte er mit allen zehn Fingern auf der Tischplatte. »Das sieht tatsächlich ziemlich übel aus. Nun, was soll ich dabei?«
    »Wir brauchen einen verlässlichen Mitwisser.«
    »Das bringt doch nichts, wenn es um Staatsschutzdinge geht. Der Verfassungsschutz kommt hierher, holt sich die Unterlagen und basta. Ich bin dann machtlos.«
    »Das geht aber nicht so einfach, wenn noch zwei, drei Kollegen Kopien haben und die Deutsche Presse-Agentur informieren, oder?«
    Er grinste und sagte fröhlich. »Ach so. Kann ich mich denn darauf verlassen, dass Sie gegen kein Gesetz verstoßen, also nichts klauen, nicht in einer Einbahnstraße wenden und so?«
    Wir versicherten ihm das, und dann hielten wir alles schriftlich fest - ohne die Hilfe der Sekretärin in Anspruch zu nehmen. Nach zwei Stunden waren wir fertig und fuhren nach Bonn zurück. Auf dem Weg durch die Innenstadt sprachen wir bis zur Pension kaum miteinander. Wir hatten begriffen, dass diese Geschichte bösartig war, nicht zu steuern und eigentlich viel zu groß für uns. Erst in unserem Zimmer brach die Baronin das Schweigen.
    »Lichtenberg hat davon gesprochen, dass es Menschen gibt, die sich für ungeheuer wichtig halten und dabei doch bloß am Hintern der Weltgeschichte riechen, oder so. Sind wir auch solche Menschen?«
    Sie hatte ein vor Erschöpfung blasses Gesicht, und ihre Augen waren stark gerötet.
    »Ich denke nur an Anna Guttmann. Ihr Mann ist getötet worden, weil er wahrscheinlich

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