Requiem fuer einen Henker
versuchte, den Kopf der Baronin nach unten zu drücken. Dann stand der Wagen.
»Lieber Gott!«, flüsterte die Baronin in eine endlose Stille.
Ich zerrte wieder an ihr, keuchte. »Runter! Bloß runter!« Ich selbst hing halb unter dem Steuerrad, den Kopf neben dem Schaltknüppel, und wusste nicht, wie ich in diese Lage gekommen war.
Dann kam von hinten hellgelbes, grelles Licht, ein Motor heulte hoch auf, und schließlich fiel ein tiefschwarzer Schatten über uns.
»Nein!«, wimmerte die Baronin erstickt.
Der Schatten zog vorbei, und ich hob trotz fast panischer Angst den Kopf und sah, wie sich hundert Meter voraus ein Laster in der Spitzkehre querstellte und noch ein Stück weiterrutschte. Ein zweiter, der soeben an uns vorbeigezogen war, vollzog abrupt das gleiche Manöver. Ich wusste, dass rechts von mir, hinter dem buschbestandenen Hang, ein altes Wasserwerk lag. Oberhalb der Büsche bewegten sich Leute; sie rannten nach rechts aus meinem Blickfeld.
»Was ist denn los?«, fragte die Baronin. Sie zitterte so sehr, dass sie kaum zu verstehen war.
»Weiß nicht, bleib unten«, sagte ich und tauchte auch wieder ab.
Jemand brüllte: »Die haben einen zweiten Wagen!« Ein anderer schrie: »Die kriegen wir nicht mehr.« Dann eine vollkommen ruhige Stimme: »Nicht schießen, wir können uns nicht mehr Krach erlauben.«
Schritte näherten sich. Jemand fragte ziemlich nah: »Leben die noch?«
»Ja«, krächzte ich, kam aber nicht hoch. Die Stimme sagte: »Na, dann immer mit der Ruhe!« und öffnete die demolierte Fahrertür.
Die Baronin stieg aus eigenen Kräften aus, ich hockte nur da und spürte, wie meine Knie nachgaben. Dann ließ ich mich einfach nach hinten sacken, jemand griff mir fest unter die Arme und zog mich hinaus.
»Ruhe, Leute, Ruhe!«
Ich wollte nicht stehen, konnte es auch gar nicht.
»Schon gut«, murmelte ich, »schon gut.«
Da ließ er mich los, und ich kniete neben meinem Auto und übergab mich. Ich fror und hatte keine Kontrolle über meinen Körper.
»Du siehst schlimm aus«, sagte die tonlose Stimme der Baronin. Sie war hinter mir und legte mir eine Hand auf den Kopf. »Lebst du noch, Baumeister, bist du verletzt?«
»Geht schon«, keuchte ich. Dann musste ich mich erneut übergeben, und ich war froh, dass sie da blieb, weil sie meinen Kopf dabei hielt, wie meine Mutter es gemacht hatte, als ich das erste Mal betrunken war.
»Du bist ja wirklich verletzt, Baumeister«, sagte sie schrill. »Dein ganzes Hemd ist voll Blut, überall!«
Eine irgendwie vertraute Stimme sagte: »Das ist nicht Baumeister, der blutet, das sind Sie. Sie haben was an der rechten Schulter abbekommen, Sie bluten auf Baumeister.« Er sagte es ungefähr so aufgeregt, als verrate er die Abfahrtszeit des nächsten Busses.
»Ach ja?«, fragte sie erstaunt.
»Wir haben einen Arzt da«, sagte ein anderer Mann schnell.
»Kommen Sie mit.« Er ging mit der Baronin davon. »Können Sie aufstehen?«, fragte der Mann hinter mir. »Ja«, sagte ich. Ich kam hoch und stand unsicher. »Was war denn?«
»Das war verdammt knapp«, sagte der Mann milde. »Was ist mit ihr?«
»Glassplitter, keine Kugel. Nur eine Schramme«, sagte er und endlich begriff ich, dass es Pjotr war. »Was ist passiert?«
»Nicht jetzt«, sagte er kühl. »Wir müssen hier erst mal abrücken. Rein in die Wagen und abgefahren. Und lasst bloß nichts liegen. Ein Eifelbauer, der eine Maschinenpistole zum Fundamt bringt, wäre ausgesprochen peinlich.«
»Sind das Ihre Lastwagen?«
»Ja, sozusagen. Einer war hinter Ihnen, einer vor Ihnen. Wir wussten, dass die etwas vorhatten, aber wir wussten nicht wo. Wir kamen nur zwanzig Sekunden zu spät. Verdammt noch mal.« Jetzt klang er überhaupt nicht mehr milde. »Warum haben Sie mich von unterwegs nicht angerufen?« Er brüllte fast. »Wegen jedem Mist holen Sie mich nachts aus dem Bett, und wenn es wirklich nötig ist, machen Sie eine fröhliche Urlaubsreise und stellen sich tot. Das wären Sie jetzt beinahe wirklich!«
Langsam wurde ich wieder lebendig. Und ziemlich wütend. Aber das war er auch: »Auf Ibiza haben Sie überdeutlich zu erkennen gegeben, dass Sie und Ihre schöne Freundin alles wissen. Und dann halten Sie sich die Augen zu und meinen, keiner sieht Sie. Sie mussten nicht nur wissen, dass Sie auf der Abschussliste stehen, ich bin sicher, Sie haben es auch gewusst. Und beinahe hätten Sie sich so einfach umlegen lassen. Haben Sie Ihr Gehirn an der Garderobe abgegeben, Mann?«
Ich sagte:
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