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Requiem fuer einen Henker

Requiem fuer einen Henker

Titel: Requiem fuer einen Henker
Autoren: Jacques Berndorf
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hat, als Penner durchzukommen?«
    »Solltest du nicht mal versuchen, mit Pennern in Bonn zu sprechen?«
    »Das ist eine gute Idee. Es würde mich nicht schrecken, wenn du schwanger wärst.«
    »Kannst du anhalten, damit ich mich ordentlich bedanken kann?«
    »Ich halte nicht an. Es ist kalt draußen, und ich will nach Hause.«
    »Warum müssen wir eigentlich so rasen? Hast du das Gefühl, etwas zu versäumen?«
    »Ja.«
    »Aber wir versäumen doch nichts.«
    »Pjotr hat etwas von einem Finale gesagt, wir haben Eintrittskarten, also fahren wir hin.«
    Sie schwieg eine Weile und murmelte dann: »Wenn ich unsere Rolle bedenke, wird ein Finale ohne uns gar nicht möglich sein. Warum denn diese Hektik?« Dann rollte sie sich zusammen und machte es sich wieder auf meinem Bein bequem. Fast glaubte ich, sie schnurren zu hören.
    Je weiter wir nach Norden kamen, desto kälter wurde es. Die Wolken hingen tief und waren fast schwarz. Zuweilen wischten vereinzelte Schneeflocken gegen die Frontscheibe. Das Licht wurde langsam hellgrau, die Ahnung des kommenden Tages. Eigentlich hatte die Baronin Recht.
    »Also auf ein Frühstück im Offenburger Hof.«
    Unser Frühstück dauerte rund anderthalb Stunden, und anschließend waren wir beide zu wohlig müde, um das Auto zu steuern. Wir mieteten ein Doppelzimmer, beschlossen durchaus ernsthaft, ein paar Stunden zu schlafen, liebten uns ein paar Stunden und wurden erst abends gegen zweiundzwanzig Uhr wach. Nicht im Geringsten schuldbewusst aßen wir erneut, bezahlten und machten uns auf die Weiterreise.
    »Dunkle Charaktere«, flüsterte die Baronin, »reisen nachts.« Es war empfindlich kalt geworden, streckenweise war die Autobahn auch glatt, aber kein Unfall und kein Stau hinderten uns. Bei Koblenz bog ich auf die A 48 Richtung Trier. In der endlosen Steige die Eifel hinauf fiel Schnee, Laster wurden langsamer, kamen ins Rutschen, hingen fest, aber da der Verkehr auf dieser Strecke nie dicht ist, kamen wir immer noch voran. Als ich die Ausfahrt Daun/Mehren erreichte, sagte ich: »Es ist schön, heimzukommen.«
    »Dein Bauernhof ist deine Burg, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Warum hast du nur soviel Angst vor Menschen?«
    »Habe ich doch gar nicht.«
    »Doch, doch. Manchmal hast du sogar Angst vor mir. Dabei will ich doch eigentlich nichts.«
    »Natürlich! Du willst zumindest den Teil von mir, den du dir zurechtträumst.«
    »Ich muss nichts träumen, ich sehe dich doch. Ich nehme dir auch nichts weg, weder deine Welt noch dich selbst.«
    »Ich glaube dir ja, ich vertraue auch deinen guten Absichten.«
    »Wer hat dir soviel Angst eingeflößt?«
    »Ich weiß es nicht genau. Ich nehme an, es ist die Summe meiner Erfahrungen. Die Menschen, die mit mir leben wollten, haben mich vielleicht zu oft enttäuscht. Am schlimmsten waren die Mittelmäßigen, denn Mittelmäßigkeit gibt sich gerne so furchtbar liberal - man erkennt sie nicht gleich.«
    »Magst du mich eigentlich?«
    »Ja. Ich mag dich wirklich.«
    »Dann kann ich mit deiner Angst leben.«
    Sie lehnte sich an meine Schulter, und es fühlte sich gut an.
    Ich trödelte auf der Bundesstraße 421 dahin, sah rechts und links in die endlosen Wälder und kam mir ein wenig vor wie der Gutsherr, der aus der Hauptstadt heimkommt und sein eigenes Land mit Blicken streichelt. Daun, Waldkönigen, Dockweiler, Bruck-Dreis, der Schnee wurde dichter, ich musste die Nebelscheinwerfer zuschalten. Dann die Nürburgquelle, der Anstieg in der Serpentine vor Walsdorf. Würde es wirklich ein Finale geben? Und wie würde das aussehen?
    In der langen, sanften Linkskurve schaltete ich in den zweiten Gang und ging vorsichtig die erste Spitzkehre an.
    Zuerst dachte ich, ich wäre über einen großen Stein gefahren, den ich im Schnee nicht gesehen hätte. Der Wagen brach plötzlich zur Seite aus, es schepperte laut, und er stellte sich quer. Die Heckscheibe zersprang mit einem lauten Knall, das Glas prasselte gegen Blechteile, auf die Sitze und unsere Köpfe. Dann platzte die Frontscheibe oberhalb des Kopfes der Baronin mit einem mörderisch hohen Ton. Erst danach hörten wir die peitschenden Schüsse. Im ersten Reflex trat ich voll auf die Bremse und schleuderte sofort nach rechts gegen die Leitplanke. Es gab einen heftigen Schlag, wir wurden nach vorn in die Gurte geworfen und die Baronin schrie laut: »Was ist das? Was …«
    Dann kam die nächste Salve. Es knallte lauter als vorher, dann kam hoch und schrill ein Querschläger. Ich schrie »Scheiße!« und
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