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Requiem fuer einen Henker

Requiem fuer einen Henker

Titel: Requiem fuer einen Henker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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grinste. »Kleiner Fußmarsch, bitte alles aussteigen.« Dann sprang er aus dem Wagen. Wir kletterten einen Hang hinauf und versteckten uns hinter Ginsterbüschen. Geoffrey reichte mir ein Fernglas. »Die Gebäude liegen rund zweihundert Meter voraus. Vom Tor führt eine schmale, asphaltierte Straße ins Gelände, ein paar Meter weiter links stehen ein paar Bäume. Wenn also Ihr polnischer Freund irgendwo wartet, dann dort.«
    Angestrengt blickten wir zu dem Anwesen hinüber. Ich glaubte, eine Bewegung zwischen den Bäumen wahrzunehmen, aber vielleicht täuschte ich mich. Plötzlich packte Geoffrey mich am Arm. Das Tor ging auf, und zwei Schatten kamen heraus. Selbst auf diese Entfernung sahen sie bedrohlich aus. Die Baronin drängte sich neben mich. Mondlicht fiel auf ihr Gesicht. Sie sah ungeheuer schön aus. Die beiden Schatten gingen zu den Bäumen hinüber.
    »Sollen wir den Polen warnen?«, flüsterte die Baronin.
    »Nein, der Pole ist ein Profi, er wird sich zu wehren wissen.« Das stimmte natürlich nicht. Der Pole war durchgedreht, er war nur noch ein Verrückter.
    »Die zwei kommen zurück«, flüsterte Geoffrey.
    »Scheiße!«, sagte ich. Wenn sie den Polen erledigt hatten, war es unheimlich schnell gegangen.
    »Was machen wir jetzt?«, fragte die Baronin aufgeregt.
    »Wir sehen uns die Sache an«, sagte ich.
    Wir folgten Geoffrey. Dafür, dass er ein dicker, kleiner Mann war, bewegte er sich recht geschickt. Wir fanden den Polen abseits der Straße zwischen den Bäumen. Er war tot. Eine Schusswunde war nicht zu sehen.
    »Warum haben sie ihn liegen lassen?«, flüsterte die Baronin entsetzt.
    »Weil niemand beweisen kann, dass sie es waren«, sagte Geoffrey und spuckte auf die Erde.
    Mir war plötzlich übel. »Es ist meine Schuld«, sagte ich heiser. »Ich hätte sie nicht warnen sollen.«
    »Das konntest du nicht wissen«, sagte die Baronin matt.
    »Fotografier ihn, und dann hauen wir ab.«
    »Kannst du dich neben ihn stellen?«, fragte die Baronin.
    Ich kniete mich neben den dürren Polen, und sie fotografierte uns. Der Pole hatte die Augen offen. Er stierte in die Bäume über uns.
    Geoffrey fuhr uns nach Hause. Er nahm seine Schnapsflasche, und zusammen mit der Baronin betrank er sich. Wir sprachen kein Wort. Die Baronin hatte rote Flecken im Gesicht. Manchmal kicherte sie, als habe sie sich bei einem unanständigen Gedanken ertappt. Geoffrey starrte nur grimmig vor sich hin. Irgendwann rannte die Baronin hinaus, um sich zu übergeben. Wir hörten sie oben in ihrem Zimmer heulen und mit ihren Fäusten gegen die Wand schlagen.
    »Um was geht es eigentlich bei Ihrer Geschichte?«, fragte Geoffrey.
    »Ich würde es Ihnen gerne erzählen, aber …«
    »Wem soll ich erzählen? Meinen Ziegen?«
    Also erzählte ich ihm unsere ganze Story. Als ich geendet hatte, war es Tag geworden. Die Baronin hatte sich nicht wieder blicken lassen. Wir hockten am Tisch und schwiegen, und ich hatte eine beinahe schmerzhafte Sehnsucht nach meinem stillen Haus in der Eifel.
    »Das ist eine schlimme Geschichte«, sagte er. Er schlurfte in sein Büro und gab mir mein Geld zurück. »Sie waren meine Gäste. Und wenn Sie es je schreiben, schicken Sie es her. Ich war in drei Kriegen, ich habe gehofft, die Scheißzeiten sind vorbei.«
    Ich nickte und steckte das Geld ein. Dann ging ich nach draußen und legte mich neben dem Ziegengatter unter einen alten Maulbeerbaum. Irgendwann weckte mich die Baronin. Sie war so bleich, wie ich sie noch nie gesehen hatte. Sie hatte unsere Sachen gepackt und drängte zum Aufbruch. Ohne uns von Geoffrey zu verabschieden, der plötzlich verschwunden war, fuhren wir. Nachdem wir den Wagen bei AVIS abgegeben hatten, nahmen wir die nächste Fähre nach Valencia.
    Die dicke Maybelle empfing uns mit offenen Armen. Als sie unsere ernsten Gesichter sah, führte sie uns in ihr bestes Zimmer und ließ uns von ihren schönsten Mädchen etwas zu essen bringen. Unsere Laune besserte das kaum. Wir waren deprimiert und schweigsam. Ich hatte das Leben eines Menschen auf dem Gewissen. Dieser Gedanke wollte mir nicht aus dem Kopf gehen. Manchmal bereute ich es, mich überhaupt auf diesen Fall eingelassen zu haben. Ich hätte in der Eifel sein können, bei Krümel, hätte ein gutes Buch lesen und ein Glas Tee trinken können. Stattdessen hockte ich mit der Baronin im stickigen Valencia und wusste nicht mehr weiter.
    Wir verließen unser Zimmer den ganzen Tag nicht. Die Baronin rauchte ununterbrochen, und ich döste.

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