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Requiem fuer einen Henker

Requiem fuer einen Henker

Titel: Requiem fuer einen Henker
Autoren: Jacques Berndorf
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ein Punkt besonders aufgefallen. Ich wusste noch fast wörtlich, was Pjotr geschrieben hatte: Lewandowski wird nach unseren Erkenntnissen 1965 nach Dortmund versetzt. Dort im 14. Kommissariat. Fällt auf durch brutales Verhalten gegenüber Festgenommenen. Merkwürdiger Selbstmord seiner Verlobten Angelika Würzner, damals sechsundzwanzig Jahre. Die Frau legt sich in die Badewanne und bringt sich mit Strom um. Ein Gerichtsmediziner kommt zu dem Schluss, dass die Frau bereits tot war, ehe sie in das Wasser gelegt wurde. Keine Verhandlung …
    Der Frühverkehr setzte ein, machte das Nachdenken schwierig. Ich fuhr in Richtung Königsforst und suchte mir einen stillen Parkplatz. Ja, das war vielleicht eine Chance weiterzukommen: Wenn die Verlobte eines Kriminalbeamten auf merkwürdige Weise ums Leben kommt und offiziell niemand diesen Fall untersucht, dann muss dieser Beamte sehr gute und einflussreiche Freunde haben. Ich musste herausfinden, wer Lewandowski gedeckt hatte, und zwar auf Anhieb. Dabei ist das Recherchieren in so ferner Vergangenheit immer ein fragwürdiges Unternehmen.
    Ich nahm die Autobahn 1 und fuhr ausgesprochen rücksichtslos. Um neun Uhr war ich im Polizeipräsidium in Dortmund. Als ich den Pförtner bat, mich in die Presseabteilung weiterzureichen, meinte er unfreundlich: »Die haben gerade eine Konferenz der Bereichsleiter.«
    »Ich bin Journalist, und ich brauche jemanden in der Presseabteilung. Und zwar jetzt.«
    »Tja, wenn Ihnen eine Sekretärin reicht«, sagte er mürrisch.
    Dann telefonierte er und brummte etwas wie »Zimmer 151. Als hätten wir nichts anderes zu tun.«
    »Na, dann gehen Sie mal wieder Ihre Murmeln zählen«, sagte ich und lief die Treppe hinauf.
    Die Frau hinter dem Schreibtisch war vielleicht fünfzig Jahre alt und hatte die wachsamen Augen der Erfahrung. »Steffen«, meinte sie reserviert, »was kann ich für Sie tun?«
    Sie war klein und zierlich, wirkte aber in ihrer ruhigen Gelassenheit beinahe imposant. Ihre Pagenfrisur war nicht gefärbt. Das Haar hing ihr dunkelblond mit silbernen Streifen in das kluge Gesicht. Sie hatte den Blick all der wichtigen Frauen im Hintergrund, die mehr Selbstvertrauen haben, als ihr Chef je haben wird. In ihrem Blick lagen mindestens zwanzig Dienstjahre bei der Polizei und immer noch mehr Menschlichkeit als bei den meisten. Vielleicht hatte ich das große Los gezogen.
    Ich kramte zittrig sämtliche Ausweise zusammen, reichte sie ihr über den Tisch und sagte: »Mein Name ist Baumeister, Siggi Baumeister, und ich muss Ihnen kurz eine Geschichte erzählen, weil Sie sonst…«
    »Haben Sie die Reportage über Altenheime gemacht?« Sie blätterte kurz in den Ausweisen, sah aber kaum hinein und reichte sie mir zurück.
    »Das stimmt, das war ich. Ich bin eigentlich eher privat hier, es geht um eine ganz vertrackte Geschichte. Ich kann Ihnen schriftlich geben, dass Sie es nirgendwo lesen werden …«
    »Das mit den Altenheimen war gut«, sagte sie. Dann schob sie mir eine Zigarettenschachtel über den Tisch. Es waren Gauloises.
    »Darf ich Pfeife rauchen?«
    »Nur zu, wenn es nicht gerade Brombeerblätter sind. Ihnen geht es schlecht, nicht wahr?«
    »Ja.« Ich holte die Prato von Lorenzo aus der Tasche und begann sie zu stopfen. Sie sagte nichts, sie wartete. »Es ist so, dass man versucht hat, mich zu töten. Meine Kollegin auch. Es geht um einen Mann, der früher hier in diesem Haus gearbeitet hat. Er hieß damals Hermann Josef Schmitz, es ist auch möglich, dass er sich schon Joachim Steiner nannte, Dr. Steiner. Vielleicht haben Sie ihn später noch unter dem Namen Alfred Lewandowski erlebt oder Breuer, oder …«
    »Und der wollte Sie und Ihre Kollegin töten?« Sie sah mich ruhig an, und ich hatte keine Ahnung, ob sie gleich Verstärkung rufen und mich medizinisch zwangsversorgen lassen würde.
    »Ja, und das will er noch. Das heißt, ich sollte anders anfangen. Ist Ihnen aus der Zeit um 1965 ein Kriminalbeamter Hermann Josef Schmitz bekannt? Hier im Haus tätig? Beim 14. K.?«
    »Das könnte sein«, sagte sie unverbindlich und zog an ihrer Zigarette. »Weiter.«
    »Ich muss in alter, schmutziger Wäsche wühlen. Dieser Hermann Josef Schmitz war bekannt für rüde Vernehmungsmethoden. Aber das Schlimmste war der Tod seiner Verlobten …«
    »Angelika Würzner«, sagte sie leise. Ihr Blick war sehr weit weg, sie suchte etwas in ihrer eigenen Geschichte.
    »Ja. Sie starb. Freitod angeblich, Badewanne, irgendein Elektrogerät. Es gab offiziell
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